Ein Beitrag von Lena Keller-Bischoff
Die Medien sprudeln zur Zeit mit News zu Müll über.
Es gibt eine Vielzahl an ökologischen und sozialen Herausforderungen rund um das Thema und auf nationaler und internationaler Ebene werden zunehmend Veränderungen im Bezug auf den Umgang mit Müll forciert.
Allerdings ist teilweise fragwürdig, inwiefern eine Implementierung von neuen Regularien wirklich stattfindet.
In diesem Artikel möchte ich Dir daher ein lokales Praxisbeispiel in Indonesien vorstellen, das Projekte zum umwelt- und sozialverträglichen Umgang mit Müll entwickelt und bei dem auch Du dich auf Deiner Reise durch Java engagieren kannst.
Indonesien in der Müllkrise
In Indonesien wurden früher meistens Bananenblätter als Verpackungsmaterial benutzt, doch durch die Verpackungskultur multinationaler Konzerne der Lebensmittelindustrie, die durch preiswerte Verpackungen Profit schlagen, hat sich dies geändert.
Heute ist Indonesien das Land mit der höchsten Menge an Plastikabfall in Südostasien.
Weltweit produziert nur China mehr Plastikmüll.
Der Australian Agency for International Development zufolge werden nur 54 Prozent des Mülls, der in Indonesien generiert wird, gesammelt und in (oft maßlos überfüllten) Endabfalldeponien entsorgt.
Der übrige Müll wird häufig verbrannt, vergraben und in Flüsse oder ins Meer geworfen.
Neben diesen Umweltschädigungen hat Müll auch auf der sozialen Ebene komplexe Wirkungen. Zum einen sind die Arbeitsbedingungen derjenigen Menschen, die mit Müll arbeiten, oftmals prekär. Zum anderen ermöglicht Müll vielen Menschen Einkommen zu generieren, da er durch Weiterverarbeitung zu einer wertvollen Ressource umgewandelt werden kann.
Ein lokales Praxisbeispiel – die indonesische Waste Bank (bank sampah)
Genau hier setzt die Grundidee der indonesischen Waste Bank an. Eine Waste Bank funktioniert ähnlich wie eine herkömmliche Bank, mit dem einzigen Unterschied, dass nicht Geld, sondern der monetäre Wert von Müll eingezahlt wird.
Nach der ursprünglichen Idee der Waste Bank bringen Bewohner_Innen der umliegenden Gegend ihren Haushaltsmüll (d.h. verschiedene Sorten von Plastik, Papier, kaputte Gegenstände, etc. – alles außer organischem Abfall) wöchentlich zu einer Waste Bank, anstatt ihn in der Natur zu entsorgen.
Der monetäre Wert dieses Mülls wird in einem Account gespart, wovon später beispielsweise soziale Dienstleistungen, Haushaltsprodukte oder Telefonguthaben bezahlt werden können.
→ Garduaction auf Instagram besuchen

Doch was passiert dann mit dem Müll? Hintergrundinfos zum Waste Bank Konzept
Ehrenamtliche und bezahlte Müllarbeiter_Innen trennen und ordnen den Müll auf der Waste Bank und steigern so den monetären Wert.
Die (oftmals ehrenamtlichen) Organisator_Innen der Waste Bank verkaufen den getrennten Müll danach an Zwischenhändler_Innen bzw. direkt an Recycling Firmen.
Das Konzept der Waste Bank entstand 2008 auf Java. Mittlerweile gibt es auf vielen Inseln Indonesiens Müllbanken und auch die indonesische Regierung befürwortet das Konzept.
Lesetipp: Bank Sampah: Eine Müllbank mit gigantischer Vision

Die Müllbank Garduaction liegt an der wunderschönen Südküste Javas
Direkt am Indischen Ozean gelegen, circa eine Stunde von Jogjakarta entfernt, befindet sich die Müllbank Garduaction in dem kleinen Ort Parangkusumo bei Parangtritis. Der meiste Müll stammt vom Tourismus, denn Parangritis ist ein Hotspot für lokalen Tourismus.
Obwohl sich bei Garduaction alles um Müll dreht, ist es ein wunderschöner Ort an der Südküste Javas. Schon wenn Du ein paar Minuten aus Jogja in den Süden herausfährst, verändert sich die Umgebung. Am Straßenrand öffnen sich große, grün leuchtende Reisfelder und Bananenstauden. Du folgst der Jalan Parangtritis in den Süden und lässt die chaotische, laute Atmosphäre der Stadt schnell hinter Dir.
Angekommen an der Südküste fühlst Du direkt, dass hier ein anderer Rhythmus herrscht. In Parangkusumo empfängt Dich Garduaction mit bunten Schildern, einem süßen Tee oder frischem, eiskalten Markisa (Maracuja) Saft vom Maracujabaum auf dem Gelände.
Für weitere Unternehmungen in der Gegend lies gerne diesen Blogartikel. Hier findest Du verschiedene Tipps zur Erkundung der wunderschönen Südküste Javas rund um Parangkusumo.


Garduaction, mehr als eine Müllbank – ein Ort voller Recyclingkreativität, Herzlichkeit und großer Visionen
Garduaction, das bedeutet Garbage Care and Education. Neben der Müllbank, die momentan noch aufgebaut wird, erwartet Dich bei Garduaction ein buntes Projekt mit ganz verschiedenen Komponenten wie zum Beispiel:
a) Bildungsprojekt für Kids
Neben der Müllbank gibt es ein Bildungsprojekt für Kinder, das Bewusstsein im Bezug auf Reduktion von Müll und den Umgang mit Müll schaffen möchte.
Jeden Sonntagnachmittag kommen die Kids aus dem Dorf auf das Gelände von Garduaction, erstellen kleine Kunstwerke aus recyceltem Müll und lernen dabei spielerisch über umweltverträglichen Umgang mit Müll.

b) Kunstinstallationen
Doch es gibt auch große Kunstwerke. Die Community an Freiwilligen rund um Garduaction erstellt Kunstinstallationen aus recyceltem Müll. Geplant ist ein Müll-Festival. Die Installationen sollen dabei bei einer breiteren Masse Aufmerksamkeit für Problematiken rund um Müll wecken.
Das Bild zeigt eine Installation aus Deckeln, die für eine Recycling Fashion Show angefertigt wurde.

c) Gardugreen, eine kleine, grüne Oase
Gardugreen beinhaltet eine Fläche, auf der verschiedene Anbaumethoden ausprobiert werden. Diese zentriert sich um eine Bambushütte, die zum Großteil aus wiederverwendeten Materialien wie bemalten Plastikflaschen, Autoreifen und Glasflaschen gebaut ist.


Mehr als Umweltschutz. Soziale Komponenten, Solidarität und Unterstützung
Garduaction entwickelt kreative Strategien zum Umgang mit Müll. Dabei werden nicht nur ökologische, sondern auch soziale Herausforderungen beachtet.
Das Projekt agiert als Mediator zwischen der lokalen Bevölkerung und der Umweltbehörde und hilft bei der Lösung von lokalen Konflikten rund um Müll.
Außerdem integriert Garduaction Menschen, die sich in schwierigen Lebensumständen befinden. Das Projekt widmet sich auch Bevölkerungsgruppen, die in der indonesischen Gesellschaft oftmals stigmatisiert werden. Beispielsweise arbeitet Garduaction auch konkret mit Pemulung (Müllsammler_Innen) zusammen.
Bei Garduaction kommen somit Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen zusammen. Während die Arbeit mit Müll für die einen Engagement in ihrer Freizeit bedeutet, ist es für die anderen Lebensgrundlage.
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Übernachten auf der Waste Bank – ein einmaliges Erlebnis
Budi Anto, der Organisator von Garduaction, freut sich jederzeit über Besuch. Schau Dir den Sonnenuntergang an (den schönsten Blick hat man aus der Hütte oder von dem Holzschiff), er ist hier magisch und ein einzigartiges Farbenspiel.

Wenn Du ein bisschen Zeit hast, kannst Du gegen eine Spende auch in der Bambushütte übernachten. Sie ist einfach gehalten, doch die kleinen Details sind Naturluxus pur.
Zum Beispiel kannst Du in der Dusche einen Blick in die Sterne genießen. Und wenn Du aufwachst, hörst und siehst Du die Wellen des Indischen Ozeans, während Du noch im Bett liegst.


Falls Du mit ein paar mehr Freundinnen und Freunden unterwegs bist, könnt ihr neben der Hütte auch gegen eine Spende Zelte aufstellen (die gibt es in Jogja zu mieten).
Für Dein leibliches Wohl wird bei Garduaction auch gesorgt. Es gibt einen kleinen Warung (Straßenstand mit Essen), den die herzlichen Ibu Tini und Pak Nur führen.


Wenn Du rechtzeitig Bescheid sagst, könnt ihr auch frischen Fisch am Lagerfeuer grillen, „enak sekali“ (köstlich)!
Der Warung ist außerdem ein Anziehungspunkt und verwandelt sich nach Sonnenuntergang oft in einen Treffpunkt für Banci-banci (Transvestiten), wie sie sich selbst bezeichnen.
Es ist spannend, den Abend über einfach im Warung zu sitzen, ein bisschen Gorengan (Frittiertes wie z.B. Tofu mit Gemüsefüllung) zu snacken und sich mit (Händen und Füßen) mit den Menschen zu unterhalten.

Du willst länger bleiben? Na dann los – ganz nach dem Garduaction Motto „Do the things we think we can’t do“
Budi Anto, der Organisator von Garduaction, verfolgt die Vision, eine internationale Volunteer Community aufzubauen. Es geht ihm dabei besonders um den Austausch, also sich engagieren im Sinne von gegenseitigem Lernen und Ideen teilen, um lokale und globale Herausforderungen rund um Müll gemeinsam anzugehen.
Gegen eine Spende kannst Du in der schönen Bambushütte auf dem Gelände wohnen. Die Einnahmen kommen den Projekten von Garduaction zugute und sind wichtig für das Projekt, da es ehrenamtlich und selbstorganisiert ist und anderweitig keine regelmäßigen Spenden erhält.
Do the things we think we can’t do

Länger zu bleiben ermöglicht es Dir, den Alltag kennenzulernen und zu teilen.
Es freuen sich alle, wenn Du Dich einbringen möchtest und beispielsweise selbst einen kleinen Workshop ins Leben rufst, den Freiwilligen beim Bildungsprojekt für die Kids hilfst, Unterstützung bei dem Verfassen von englischsprachigen Texten leistest, bei Gardugreen neue Anbaumethoden ausprobierst oder kreativ an der Entwicklung von recyceltem Kunsthandwerk mitarbeitest.
Du bist auch herzlich willkommen, einfach erst mal vor Ort Zeit zu verbringen. Es ergeben sich dann bestimmt schnell Möglichkeiten, wie Du Dich einbringen kannst.
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Anmerkung: Die Beschäftigung mit unserem Umgang mit Müll ist wichtig – nicht nur in Indonesien, sondern auch in Deutschland!
Eine Beschäftigung mit unserem Umgang mit Müll ist – sowohl in Indonesien wie auch in Deutschland! – wichtig.
Wir müssen unbedingt bedenken, dass wir in Deutschland auch ganz vorne dabei sind, was Plastikverbrauch und Müllproduktion angeht. In Deutschland wird mehr Müll pro Kopf produziert als durchschnittlich in der EU.
Wir dürfen uns also gerne an die eigene Nase fassen. Im Gegensatz zu Deutschland, das einen Großteil seines Mülls ins außereuropäische Ausland exportiert, wird viel Müll in Indonesien vor Ort entsorgt oder weiterverarbeitet. Umso wichtiger ist also, dass wir für einen Austausch über den Umgang mit Müll offen sind.
Lesetipp: 6 einfache Tipps für plastikfreies Reisen in Indonesien
Praktische Infos
1. Eine Taxifahrt von Jogja nach Parangkusumo kostet circa 10 bis 15 Euro.
2. Hati Hati (Vorsicht), der Indische Ozean hat an dieser Stelle einen heftigen Sog ins Wasser. Du solltest hier besser nicht baden gehen.
3. Wenn Du bei Garduaction übernachten möchtest, bring Dir gerne ein Moskitonetz mit (das auf dem Foto ist nicht mehr dort).
4. In Parangkusumo gibt es neben dem Areal von Garduaction viel Prostitution. Dies ist kein Grund zur Beunruhigung. Ich habe mich damit am Anfang etwas unwohl gefühlt, hatte schlussendlich vor Ort jedoch keinerlei Probleme. Dennoch soll es an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, damit Du darauf vorbereitet bist.
Text: Lena Keller-Bischoff
Fotos: Rüdiger Bischoff und Felix Passek
Über die Autorin
Neben Projekten an verschiedensten Orten ist Lenas Base Freiburg, wo sie lebt, studiert und arbeitet. Seit Beginn ihres Ethnologiestudiums 2012 reist sie regelmäßig nach Indonesien. Nach ihrer Bachelorforschung in lokalen Fair Trade Organisationen auf Java hat sie nun, gefördert vom Promos Programm des Deutschen Akademischen Austauschsdiensts und unterstützt durch das Center for South East Asian Social Studies in Jogjakarta, ein ethnographisches Forschungsprojekt für ihre Masterarbeit zu sozialen Dimensionen von Müll durchgeführt. Dabei hat sie mit ihrer Indonesischen Tandem Partnerin Nuzuli Ni’mah der Universitas Gadjah Mada zusammengearbeitet. Die Methode des Forschens im interdisziplinären und interkulturellen Tandem/Team ist bereits seit über 10 Jahren fester Bestandteil am Freiburger Ethnologie Institut. Besonders toll daran ist, dass nicht nur Studierende nach Indonesien reisen, sondern auch indonesische Studierende für ihre Forschungsprojekte nach Deutschland kommen.
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