Ein Beitrag von Emma von Pelan Pelan Bali
Vor mehr als sechs Jahren ging es für mich das erste Mal auf den asiatischen Kontinent. Nach Laos und Thailand bin ich schließlich auf der Insel Bali in Indonesien gelandet.
Der Hauptgrund für mich, nach Bali zu gehen, war das Surfen. Ich wollte unbedingt wissen, wie man Wellen reitet.
Von einem Freund hörte ich, dass es irgendwo im Westen von Bali ein kleines Dorf mit guten Wellen gibt:
„Ein balinesisches Dorf mit wenigen Touristen, wo du nach dem Surfen zwischen schönen Reisfeldern die Ruhe genießen kannst.“
Genau das, was ich gesucht habe.
Dieses Dorf hieß: Canggu.
Ich sprang auf meinen Roller, um Canggu zu finden.
Niemand wusste, wo dieses idyllische Dorf lag.
Nach stundenlanger Suche kam ich dann schlussendlich doch noch in Canggu an. Alles war genau wie beschrieben: friedlich, wundervolle Aussichten über die Reisfelder, das Meer und perfekte Wellen.
Man traf auf ein paar wenige Touristen, die mit dem gleichen Ziel hier gelandet sind: um surfen zu lernen.

Canggu 2012: Ein friedlicher Ort
Im Jahr 2012 war Canggu für mich der schönste Ort, an dem ich je war.
Die Locals lebten in Harmonie miteinander, Kinder rannten über die Straße, während ihre Eltern vor ihren Häusern plauderten.
Dorfbewohner halfen einander, die Reisfelder und das frische Gemüse zu ernten, während die Kids zwischen den Reisfeldern Aale angelten.
An jeder Ecke gab es ein kleines Warung (Restaurant), wo leckeres indonesische Essen zubereitet wurde.
Es war wirklich friedlich in diesem Dorf.
Hin und wieder kamen einige Touristen vorbei. Die perfekte Möglichkeit, um zusätzliches Geld zu verdienen – indem man Surfbretter, ein Zimmer als Homestay vermietete oder Essen verkaufte.


Und schwups war ich verliebt!
Die Locals lebten im Moment. Dieses Gefühl übertrug sich auf mich.
Die Touristen, die sich zu jener Zeit von Canggu angezogen fühlten, liebten dieses Leben und zeigten ihren Respekt.
Es war egal, welche Kleidung du getragen hast und welchen Roller du gefahren bist (wenn du überhaupt einen hattest).
Beim Essen hattest du die Auswahl zwischen Babi Guling, Nasi Goreng und Nasi Campur.
Ich verliebte mich in diesen Ort und die Menschen – und in einen Mann ganz besonders.
Sein Name war Putu.
Ich musste unbedingt zurückkommen.

Mein neues Zuhause
Zwei Jahre später eröffneten mein balinesischer Freund und ich ein Surf- und Yoga-Retreat in Canggu.
Wir haben es Pelan Pelan Bali genannt, was „langsam“ bedeutet. Wir haben diesen Namen gewählt, weil alles auf Bali ein wenig friedlicher und entspannter ist – zumindest entspannter als in der westlichen Welt. Ich liebe dieses Tempo einfach! Hier erfährst du mehr zu unseren Anfängen auf Bali.
Woran ich zu diesem Zeitpunkt niemals gedacht habe, ist, dass sich die kleine Touristenmenge in Canggu irgendwann mal in eine boomende Tourismuswelle verwandeln könnte.
Der Ort heute hat so gar nichts mehr mit dem Canggu, in welches ich mich verliebt habe, zu tun.
Natürlich ist die entspannte Atmosphäre immer noch da. Auch die Wellen laufen heute noch in Perfektion. Und die Sonnenuntergänge sind auch nicht weniger schön.
Aber die Gegend hat nun einen (kleinen) Schub mit westlichen Gedanken und Gewohnheiten bekommen.
Für uns war dies jedoch Grund genug, unser Retreat in ein anderes Dorf zu verlegen, welches heute mehr wie das Canggu von vor sechs Jahren aussieht.

Die Entwicklung von Canggu
Die Hauptstraße – und der Hauptort des Geschehenes von Canggu – hieß Jalan Batu Bolong.
Wo vor sechs Jahren die Kinder über die Straße zum Nachbarn rannten, um im Warung ein Nasi Goreng zu kaufen, ist die bekannte Straße nun mit Healthy-Food-Restaurants und unzähligen Bars zugepflastert.
Die meisten lokalen Restaurants sind verschwunden. Die Mietpreise der Geschäfte stiegen so stark, dass es für die Locals unmöglich wurde, ihre Geschäfte zu behalten.
Auf Bali werden Reisfelder von Generation zu Generation übertragen. Also besitzen die meisten Menschen in Canggu Land – oder sollte ich sagen, dass sie es besaßen?
Die Preise des Landes stiegen so stark an, dass es sehr attraktiv wurde, das eigene Reisfeld zu verkaufen – vor allem mit dem Wissen, dass die harte Arbeit auf den Reisfeldern eh viel zu wenig Geld einbringt.
Deshalb wurden Reisfelder immer häufiger an Investoren verkauft und später wiederum zu einem sehr hohen Preis an Ausländer weiterverkauft, die nun Restaurants für andere Ausländer bauten.
Das alles ist vollkommen legitim – aber für mich persönlich entwickelte sich Canggu nach und nach in einen Ort, der nichts mehr mit der Gegend zu tun hatte, in die ich mich so verliebt hatte.
Diese rasante Entwicklung spürt man in vielen Orten auf der Welt, wie z.B. in Marokko (Taghazout) oder Portugal (Sagres).
Wer „Schuld“ an dieser Entwicklung hat, ist eine andere Frage, und darum geht es auch nicht in diesem Artikel. Reiseblogger und soziale Medien tragen auf alle Fälle dazu bei, keine Frage!



Beach Clubs vs. Gitarrenklänge
Die Orte am Strand, an denen man ein kühles Bier trinken konnte, während die Einheimischen ihre Gitarren spielten, wurden durch moderne Strandclubs ersetzt.
Es ist nicht mehr die Musik der Gitarren, die über den Klängen der Wellen erklingen, sondern die Beats des Basses aus den Lautsprechern der Beach Clubs.
Glücklicherweise finden wir nach dem Surfen in Canggu immer noch die versteckten Orte, wo es das Bier (zum halben Preis) zu kaufen gibt.
Du musst nur genau hinschauen 🙂
Es wäre natürlich schön, wenn man als Reisender die kleinen authentischen Läden am Strand unterstützt.


Traveller vs. Hipster
Vor sechs Jahren zog Canggu Touristen an, die hauptsächlich reisten, um die Unterschiede zu ihrem eigenen Land und ihrer eigenen Kultur zu erfahren.
Sie kamen nach Canggu, um Menschen aus anderen Ländern zu begegnen, und um aus ihren Gedanken und Gewohnheiten zu lernen.
Heute ist ein großer Teil von Canggu stark von Expats, digitalen Nomaden und Hipstern geprägt.
Mittlerweile sind High Heels, Make-up und sexy Kleidung in Canggu eher der Standard – im Vergleich zur gemütlichen Aladinhose von 2012.


Entspannter Surf vs. volle Line-ups
Ich habe meine ersten Surf-Erfahrungen in einem Surfcamp in Canggu gemacht. Damals war es eine der einzigen Surfschulen in Canggu.
Der Batu Bolong Beach war der perfekte Ort für fortgeschrittene Anfänger, die ihre Paddelfähigkeiten trainieren und die ersten grünen Wellen reiten wollen.
Leider sind die Canggu-Strände selber heute viel zu voll, um sicher zu paddeln (siehe Foto weiter oben).
Aber: Für die fortgeschrittenen Surfer gibt es noch den Echo Beach und den Berawa Beach – und etwas außerhalb von Canggu viele andere Möglichkeiten für Anfänger und Surfer aller Level.


Canggu: Ein Instagram Hotspot
Titel wie
Visit the most instagrammable spots in Bali
tauchen gerne auf, wenn du nach Informationen für deinen geplanten Bali Urlaub suchst.
Wenn du deine Smoothie Bowl in einem der Canggu Cafés isst, zählt das nicht, wenn du keine Bilder davon auf deinem Instagram-Konto hochgeladen hast.
Was wichtig ist: Wir sollten uns hin und wieder auf den wahren Sinn des Reisens besinnen.
Was willst du von deiner Reise mit nach Hause nehmen – außer Fotos?
Was möchtest du lernen von der indonesischen Kultur? Was möchtest du über dich selber lernen?
Was kannst du dem Land, in dem du reist, zurückgeben?
Und die schönsten Momente auf Reisen kann man eh nicht festhalten.

Die Situation für die Einheimischen
Was soll man sagen; alles hat mehrere Gesichter oder Seiten.
Oder wie die Balinesen sagen würden: Es gibt immer Gut und Böse (Yin und Yang).
In diesem Fall ist der boomende Tourismus vor allem gut für die Wirtschaft in Canggu.
Dennoch bin ich mir nicht sicher, ob es die Lebensfreude der Balinesen verbessert hat. Balinesen beschweren sich nicht schnell. Aber wenn wir mal etwas weiter fragen, sagen uns die Locals in Canggu, dass es immer voller und lauter wird. Es gibt immer Bauarbeiten und die Beats von den Strandpartys gehen bis zum Morgen weiter.
Jeden Tag finden sie auf der Straße einen abgestürzten Rollerfahrer – oftmals einen betrunkenen Partytourist – der dachte, es sei kein Problem auch noch nach ein paar Litern Alkohol zu fahren.
Viele Tempel werden in Geschäfte oder Restaurants verwandelt. Und Zeremonien werden inmitten von halbnackten Touristen am Strand abgehalten, die nicht auf die Idee kommen, kurz ein Sarong überzuziehen.
Und wenn die Locals ihre Reisfelder und ihr Land verkauft werden, wo werden sie dann arbeiten? Wie lange reicht das Geld des Verkaufs aus? Gibt es da noch ein Gleichgewicht?
Viele Fragen tauchen auf, wenn wir uns die aktuelle Situation in Canggu anschauen.



Wie man mit den Änderungen umgeht
Wenn man Canggu aus den early days kennt, verfällt man schnell in das Denkmuster:
Früher war alles besser.
Und das ist gefährlich.
Denn das Orte sich entwickeln und verändern, das ist der Gang des Lebens.
Viele westliche Freunde von mir, die in den early days ein Business in Canggu gestartet haben, reden immer über das Gleiche: Es wird immer lauter, die Art der Touristen verändert sich, dort gibt es schon wieder ein neuen Beach Club u.s.w.
Unter den alten Hasen wird gejammert und man beschwert sich kontinuierlich über die rasante Entwicklung.
Wenn man mal die Facebookgruppe Lost Bali besucht, wird man das melancholische Gefühl schnell erfahren, welches einen überkommt, wenn man DAS Bali aus alten Tagen sieht.
DAS Bali gibt es noch – nur nicht mehr im Süden von Bali. Um DAS Bali zu erleben, muss man sich auf seinen Roller setzen und losfahren. Man muss Zeit mitbringen und Neugierde.
Jammern bringt nichts. Jammern verändert nichts.
Meiner Meinung nach ist die größte Sorge für diese wunderschöne Insel im Moment: der kontinuierliche Umzug des Tourismus an neue Orte.
Von Kuta nach Legian, nach Seminyak, nach Canggu.
Lasst uns anstelle zu jammern lieber unsere Energie auf die Umweltverschmutzung, die Überbeanspruchung von Plastik und das Verbessern des Lebens der Einheimischen selbst fokussieren.
Damit die Insel die wunderschöne Insel der Götter bleiben kann.

Wie ich mit den Änderungen umgegangen bin
Wir sind umgezogen. Wir haben unser Retreat ein paar Dörfer weiter verlegt.
Da unser neues Retreat außerhalb des überfüllten Canggu liegt, haben wir und unsere Gäste das Beste aus beiden Welten: Leckere Restaurants und gemütliche Bars in ein paar Minuten Entfernung und das echte balinesische Leben in unseren vier Wänden.
Da mein Freund, sowie die meisten aus unserer Pelan Pelan Familie, Balinesen sind, führen wir alle balinesischen Traditionen, Zeremonien und balinesischen Opfergaben im Retreat durch.
Alle Mitarbeiter unseres Retreats sind balinesisch oder aus Java (Indonesien).
Wir versuchen, in Harmonie mit Natur und Kultur zu leben – etwas, was du fühlst und etwas, das hoffentlich so bleiben kann.
Was denkst du über die Entwicklung von Orten wie Canggu? Ich freu mich über deine Kommentare unter diesem Artikel!

Text und Fotos: Emma von Pelan Pelan Bali
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