Christiane Hagn schrieb vor einigen Monaten das Buch „Macht’s gut, ihr Trottel, ich zieh dann mal ins Paradies„, in der sie über ihre Auswanderung nach Indonesien, genauer gesagt nach Sumatra, in sympathischer und authentischer Weise berichtet.
Kurzentschlossen habe ich ein Interview mit ihr geführt. Erfahrt heute mehr über ihre Liebe zu einem südafrikanischen Fischer in Sumatra und ihrer mutigen Auswanderung nach Banda Aceh. Zum Schluss gibt es noch Christianes ultimative 11 Tipps zum Auswandern zum Download!
1. Vor ein paar Monaten hast du dein Buch `Macht´s gut, ihr Trottel, ich zieh dann mal ins Paradies´ veröffentlicht. Um was geht es in dem Buch?
In dem Buch erzähle ich, wie ich mich auf einer Rucksackreise durch Australien und Indonesien, ausgerechnet auf einer kleinen Insel Sumatras, in einen Fischer verliebt habe. Und wie ich zurück in Deutschland beschloss mein altes Leben hinter mir zu lassen. Denn ich habe Job und Wohnung in Berlin gekündigt und bin zu ihm gezogen.
Dabei war nicht nur der Sprung von der Großstadt auf eine muslimische Insel gewöhnungsbedürftig, sondern auch das Leben mit einem Mann, den ich nur zehn Tage kannte. Noch dazu in einer Bambushütte.
2. Warum bist du anfangs überhaupt nach Indonesien gereist? Und warum Sumatra?
Nach einem vierwöchigen Roadtrip durch Australien ging mir langsam das Geld aus. Außerdem sehnte ich mich nach etwas mehr Abenteuer. Also bin ich nach Indonesien. Nach den üblichen Touristenzielen wie Bali, Gili Islands und Lombok machte ich mich auf die Suche nach etwas touristisch unberührteren und ursprünglicheren Orten. Und so landete ich auf einer kleinen Insel vor Banda Aceh, am nordöstlichsten Punkt Sumatras.
Und dort traf ich auf David. Einen Südafrikaner, der derzeit schon über drei Jahre auf dieser Insel lebte. Ich verliebe mich meistens ziemlich schnell und war mir sicher, dass es sich um einen üblichen Urlaubsflirt handelte. Aber zurück in Deutschland blieben wir dank Skype in täglichem Kontakt.
3. Als du beschlossen hattest, auszuwandern, wie waren die Reaktionen deiner Freunde und vor allem die deiner Eltern? Wie bist du damit umgegangen?
Die meisten meiner Freunde hielten mein Vorhaben verständlicherweise für eine Schnapsidee. Dennoch ermutigten mich die meisten, meinem Herzen zu folgen. Ich hatte nichts zu verlieren und könnte jederzeit wieder kommen. Meine Eltern schwankten zwischen wütend, stinkwütend, besorgt, beleidigt, enttäuscht.
Am Ende gaben sie mir doch noch ihren Segen. Und mein Vater gab mir einen Bauhelm mit, damit ich mich vor herab fallenden Kokosnüssen schützen könnte. Besorgt hielt also an.
4. Hast du je an deinem Vorhaben gezweifelt?
Natürlich. Ständig. Aber hätte ich keine Zweifel gehabt, wäre das wirklich besorgniserregend gewesen. Ich kannte meinen Freund ja kaum. Wir hielten zwar fünf Monate fast täglich Kontakt über Skype. Aber das ist natürlich immer noch mal etwas anderes, als zusammen zu leben. Noch dazu in einer Umgebung, in der wir beide Ausländer sind. Ich als Deutsche, er als Südafrikaner. Mit Anfang 30 unverheiratet und kinderlos zusammen zu wohnen, ist in dieser Gegend Indonesiens nicht wirklich üblich. Auch nicht so gerne gesehen.
Also ja, ich hatte Zweifel und war grundsätzlich sehr aufgeregt. Aber ich freute mich auch auf dieses Abenteuer. In jeder Hinsicht.
5. Was sind deine ultimativen Auswanderertipps? Wie hast du dich vorbereitet?
Der wichtigste Punkt für mich war schnell die Sprache zu lernen, um Anschluss zu Land und Leuten zu finden. Mit meinem Freund, der Südafrikaner ist – aber auch fließend Indonesisch spricht – spreche ich Englisch. Doch in Nordsumatra sprechen die wenigsten Locals Englisch. Daher begann ich noch in Deutschland Indonesisch zu lernen.
Und natürlich gibt es einiges zu klären, wenn man das Land verlässt. Ich habe Mieter für meine Wohnung gesucht, eine Auslandskrankenversicherung abgeschlossen und andere Versicherungen und Verträge gekündigt. Ich denke das Wichtigste beim „Auswandern“ ist, das man es nicht Hals über Kopf tut. Man kann mutig, aber muss deshalb nicht dumm sein.
6. Welche Schwierigkeiten/Herausforderungen musstest du überwinden vor deiner Abreise und dann vor Ort?
Natürlich fiel mir der Abschied in Berlin von meinen Freunden sehr schwer. Und vor Ort war anfangs für mich fast alles eine Herausforderung. Die Hitze, die Kultur, die Sprache, das Leben mit einem Mann auf engstem Raum.
Ich musste mich täglich Herausforderungen stellen. Das ging schon los mit alltäglicher Konversation bis hin zum Kampf mit Angelschnur und Haken. Gerne auch bei Nacht und Unwetter.
7. Wie bist du damit umgegangen, als blonde, weiße Frau auf einer muslimischen Insel mit dem Scharia Gesetz zu leben?
Das tangierte mich eigentlich nicht all zu sehr. Denn das Scharia Gesetz gilt nur für Muslime. Dennoch musste ich mich an einige landesüblichen Regeln halten, schon aus Respekt. So habe ich in der Öffentlichkeit, also außerhalb unseres Resorts, stets Schulter und Knie bedeckt.
Falls ich mit David Ausflüge auf dem Motorrad gemacht habe, saß ich natürlich im Damensitz. Ich musste mich daran gewöhnen, ausschließlich die rechte Hand zu verwenden und ältere Frauen mit Ibu, als Mutter, und Männer mit Bapak, also Vater anzusprechen.
An Freitagen, dem Jumat, zwischen zwölf und zwei Uhr nicht schwimmen zu gehen, fiel mir wohl noch am schwersten. Aber ein Kopftuch habe ich nie getragen. Das hätte auch niemand von mir erwartet.
8. Wie kann man sich deinen Alltag in Sumatra vorstellen? Was haben du und David den ganzen Tag gemacht?
David fuhr meist jeden Tag fischen. Manchmal habe ich ihn dabei begleitet. Gerne auch nachts. Falls ich zurück blieb, setzte ich mich an meinen Fensterplatz in unserer Hütte und schrieb an meinen Büchern – mal mehr, mal weniger inspiriert. Aber ich wartete noch nie auf Inspiration. Denn gerade in einem Umfeld, in dem es keinen Alltag mehr gab, war es für mich extrem wichtig, mir eine gewisse Routine aufrecht zu erhalten.
Morgens ging ich schwimmen, abends half ich im Resort aus. Dazwischen ging ich fischen, aß, schrieb, spielte Schach und betreute die Gäste. Das war nicht jeden Tag aufregend, aber jeden Tag anders.
Außerdem passieren auf einer Insel oft unvorhergesehene Dinge. Bei Gewitter und Stromausfall wurde weder gefischt noch geschrieben. Dann machten wir es uns mit hausgemachtem Popcorn in der Hütte gemütlich und schauten Filme, solange der Akku reichte. Ich verwendete auch viel Zeit damit, Indonesisch zu lernen, um noch besseren Anschluss und Kontakt mit den Einheimischen zu haben.
Lesetipp: Tipps und Tricks zum Indonesisch lernen
9. Was fasziniert dich an Indonesien? Was gefällt dir, was nicht?
Mich fasziniert fast alles. Auch vieles, was mir nicht gefällt. Ich liebe die Natur, das Essen, die Freundlichkeit der Menschen. Mich fasziniert der Familienzusammenhalt und der Respekt gegenüber älteren Leuten. Mich fasziniert die gesamte Kultur. Auch wenn ich vieles davon selbst nicht leben könnte. Zum Beispiel käme eine Hochzeit nach indonesischem Brauch für mich nicht in Frage. Stundenlang auf einem Thron zu sitzen und Beglückwünschungen entgegen zu nehmen, nachdem man die Besitzverhältnisse ausgehandelt hat, wäre nichts für mich.
Mich fasziniert der indonesische Smalltalk, der sich fast ausschließlich darum dreht, wo man hin geht oder was man schon gegessen hat. Gefallen hat mir das nicht immer. Oft hat es einfach nur genervt.
10. Was waren deine magischsten Momente in Sumatra?
Es gab sehr viele magische wie auch skurrile Momente. Zu den skurrilen gehören wohl 17 Moskitostiche auf der Stirn in einer einzelnen Nacht. Außerdem eine Blasenentzündung, die mir als Schwangerschaft diagnostiziert wurde.
Ein magischer Moment waren auf jeden Fall 50 Delphine, die um ein Fischerboot herum bei Sonnenuntergang ihre Kunststücke vollführen. Lagerfeuer, nachts am Strand, mit den unterschiedlichsten Menschen aus aller Welt.
Die Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Indonesier. Und am Wichtigsten: Mehr über mich in neun Monaten gelernt zu haben als in den letzten 31 Jahren.
11. Hast du auch ab und an Heimweh gehabt? Was ist dein ultimatives Rezept gegen Heimweh?
Heimweh gehört vermutlich zum Auswandern dazu. Skype und E-Mails halfen über den größten Kummer hinweg. So konnte ich in ständigem Kontakt mit Freunden und Familie stehen. Wenn auch nur online.
Außerdem hörte ich außergewöhnlich viel deutsche Musik und wurde zunehmend traditioneller. Versucht mal, in Sumatra an Weihnachten eine Tanne aufzutreiben. Sie war zwar aus Plastik, aber konnte das Heimweh lindern.
Und da ich glücklicherweise nicht in die Antarktis gezogen bin, bekam ich auch ab und zu Besuch von Freunden.
12. Wie war der Kontakt zu den Einheimischen?
Je besser ich die Sprache konnte, umso besser wurde der Kontakt. Ich hatte ein paar einheimische Freundinnen und habe den Frauen vor Ort Schwimmunterricht im Meer gegeben – was sehr lustig war.
Ich habe gespürt, dass sie mir mit der Zeit immer mehr vertraut haben. Dennoch gehörte ich als 30 jährige, weiße, unverheiratete und kinderlose Frau, also „bule„, nie zu 100 Prozent dazu. Dafür kamen wir aus zu unterschiedlichen Welten.
13. Was hast du aus deinem `Abenteuer´ gelernt? Würdest du es wieder tun?
Sagen wir so: Ich habe es nie bereut. Natürlich hatte ich in Indonesien auch oft eine schwierige und einsame Zeit. Aber die positiven Erlebnisse und Erfahrungen die ich machen durfte, überwogen die Schattenseiten – die es auch im Paradies gibt.
14. Wer sind eigentlich die Trottel in deinem Buchtitel?
Die Trottel sind alle, die sich nicht trauen ihre Träume zu leben. Oder sie zumindest auszuprobieren – seien sie noch so absurd. Davon schließe ich mich selbst nicht aus. Schließlich hat es bei mir auch eine Weile gedauert, bis ich mich getraut habe.
Ich sage nicht, dass alle Menschen Trottel sind, die nicht auf eine muslimische Insel zu einem Mann auswandern, den sie kaum kennen. Das wäre etwas vermessen. Es geht viel mehr darum, etwas zu wagen. Seinem Herz oder auch Instinkt zu folgen. Ein Scheitern in Kauf zu nehmen. Denn es gibt schlimmeres als zu scheitern. Zum Beispiel: nichts zu wagen.
Die Menschen, die andere deshalb kritisieren, weil sie etwas „Unvernünftiges“ wagen – das sind die Trottel. Und meistens haben sie nur selbst große Angst davor, ihre eigenen Träume zu realisieren. Aber wie gesagt, ich nehme mich da nicht aus. Deshalb heißt mein Fortsetzungskapitel auch: „Ein Trottel kehrt zurück.“
15. Was ist die Botschaft deines Buches?
Ich mag Bücher mit Botschaften eigentlich nicht. Aber was ich selbst gelernt habe war, dass es immer einen Versuch wert ist, seine Träume zu leben. Dass es nie falsch ist, seinem Herz zu folgen. Und dass man zu viel vom Leben verpasst wenn die Angst vor dem Scheitern überwiegt. Und das „Scheitern“ ein sehr weit gefasster Begriff ist, den man auch mit „Erfahrung“ gleich setzen könnte.
Danke für das tolle Interview Christiane!
–> Hier gibt es noch Christianes 11 ultimative Tipps zum Auswandern für deinen Badezimmerspiegel<–
Über die Autorin: Die Autorin Christiane Hagn wurde 1980 in Ingolstadt geboren und hat bereits vier Bücher und diverse Kurzgeschichten veröffentlicht.
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