Ihr denkt über das Auswandern nach? Aber ihr habt noch einige Bedenken? Ihr wollt für eine gewisse Zeit in Indonesien leben?
Lernt von Hella, einer taffen Frau, die es wagte, ihren Sehnsüchten nachzugehen und nun einen Großteil ihres Lebens auf Bali verbringt.
Seit wann lebst du bereits auf Bali und wie kam es dazu, dass ihr euren Zweitwohnsitz nach Bali verlagert habt? Wann seid ihr in Österreich und wann auf Bali?
Mein Großvater mütterlicherseits war Insulaner – er kam von der ostfriesischen Insel Borkum. Während meiner Schulzeit verbrachte ich des öfteren meine Ferien dort und wollte später immer mal eine Zeit auf Borkum wohnen.
Bei unserem ersten Baliaufenthalt (gebuchte 3-wöchige Urlaubsreise) verliebte ich mich in Bali und wollte unbedingt zurück. Bei jedem Aufenthalt wurde die Sehnsucht stärker.
Da meine Berufstätigkeit früher als geplant endete, überlegte ich mir, was ich jetzt machen möchte. Ich war Personal Manager in einem größeren Hotel und nahm Kontakt mit Hotelfachschulen in Bali auf.
MAPINDO war an eine 2-monatige Mitarbeit – Zimmer und Visum wurde gezahlt, restliche Kosten habe ich selber übernommen – interessiert und so ging ich für 3 Monate nach Bali und unterrichtete Englisch und Hotelmanagement für 2 Monate in Dalun.
Die Studenten waren zwischen 18 und 24 Jahre alt, und hatten teilweise erschreckend schlechte Englischkenntnisse. Aber ich habe mit Hilfe von Wortspielen und berufsbezogenen Spielen alle zum Sprechen und Nachdenken gebracht – das war auch mein Ziel.
Durch mein Hobby „Tauchen“ habe ich den Eigentümer von Paradise Diving kennen gelernt und Michael hat mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte 2007 wieder zu kommen und in seiner Tauchschule Deutsch für die indonesischen Angestellten zu unterrichten – natürlich auch ohne Bezahlung aber dafür durfte ich tauchen, wenn Plätze auf den Booten frei waren. Folglich bin ich dann 2007 für 3,5 Monate in Padangbai gewesen.
Der Deutschunterricht war bei der damals einzigen weiblichen Angestellten erfolgreich – wir haben aber auch nahezu jeden Abend anhand von Volkshochschulbüchern geübt. Dadurch, dass ich fast nur mit Einheimischen zusammen war, wurde ich sehr nett aufgenommen. Familienfeiern, Zeremonien, besondere Feste – überall wurde ich eingeladen und es war wunderschön.
Ich bin dann jedes Jahr wiedergekommen und habe nach Aufenthalten in Homestays ein Haus mitten im Dorf gemietet. Dort ging meine Terrasse zum Familienhof und rund um diesen Hof wohnten 6 Familien. So lernte ich den Tagesablauf in balinesischen Familien kennen.
Eine Arbeitsbewilligung ist sehr schwer zu bekommen und für die Unternehmen teuer, für eine Jahresbewilligung muss man um die US-$ 1000,- rechnen – das lohnt sich wirklich nur für leitende Positionen oder für spezielle Aufgaben wie Tauchlehrer mit Sprachkenntnissen in mindestens 2 Sprachen.
Mein Mann ist dann 2010 ebenfalls in Pension gegangen und konnte nun auch mehrere Wochen auf Bali bleiben (vorher ist er immer während meines mehrwöchigen Aufenthaltes für 4 Wochen gekommen).
Allerdings nahm der Verkehr durch die Fastboats dermaßen in unserer Straße zu, dass wir 2012 beschlossen, ein Haus in einem ruhigen Ortsteil zu suchen. Ich habe die Familien am Anfang sehr vermisst.
Wir sind im Frühjahr für 3,5 Monate und im Herbst für 2-3 Monate auf Bali. Winter ist Skisaison wollen wir zu Hause Skilaufen und in der Hauptsaison August brauchen wir auch nicht unbedingt auf Bali zu sein.
Was schätzt du an deinem Leben auf Bali? Was sind die Schattenseiten?
Die Balinesen; das Klima – tagsüber warm bis heiß, nachts frischer; die allgegenwärtige Mystik; keine Hektik und kaum mal eine Unfreundlichkeit; das Meer – da ich die Nordsee liebe, habe ich das Mittelmeer nie richtig gemocht – ich brauche die Wellen, den Geruch, das Gefühl, dass das Meer eine Kraft hat.
Das Leben ist einfach, den Luxus, den man von Europa kennt, existiert nicht unbedingt. Kleidung ist nicht wichtig – so lange sie sauber und ordentlich ist.
Bedingt durch das Klima, ist man in der Früh‘ schnell fertig. Die Balinesen sind sehr freundlich und in Padangbai sehr offen. Sie haben ein irrsinniges Namensgedächtnis und können sich noch nach etlicher Zeit an deinen Namen erinnern.
Alles zusammen ist es ein schönes einfaches Leben für uns. Indonesier sind sauber, schlecht riechende Menschen gibt es fast gar nicht – mindestens 3x täglich wird Mandi (dt. Bad) gemacht und häufig die Kleidung gewechselt.
Da könnten sich einige Europäer ein gutes Beispiel nehmen. Mir gefällt noch vieles mehr aber das würde Seiten füllen.
Die Schattenseiten sind für mich hauptsächlich die Umweltsünden. Plastik überall und es ist nur wenigen bewusst, dass es gescheiter wäre, mal etwas in diese Richtung zu unternehmen.
Bei jedem kleinsten Einkauf wünscht ein Balinese eine Plastiktasche und anschließend werden die Abfälle einfach in die Gegend geschmissen. Im Grunde genommen kann man es mit Deutschland 1960/70 vergleichen – nur gab es da noch nicht diese Plastikmassen in Form von Flaschen und Taschen.
Die Flaschen und andere Plastikbehälter werden mittlerweile ja intensiv gesammelt und an Händler verkauft.
Ein weiterer Punkt ist das Bildungssystem. Die Lehrer werden sehr schlecht bezahlt und der Unterricht ist oft nicht ausreichend. Die Kinder lernen zu wenig und dadurch, dass nur 6 Jahre kostenfrei sind, müssen die Eltern für die Bildung zahlen.
Das Schulgeld ist zwar nicht hoch aber bei dem geringen Einkommen schlagen Schulgeld, Uniform, geschlossene Schuhe, Material- und Fahrtkosten bei vielen Familien sehr zu Buche. Manche Schüler arbeiten in der unterrichtsfreien Zeit, um das Schulgeld zu verdienen.
Universität oder eine andere Berufsausbildung ist fast nur durch teure Kredite zu bezahlen. Folglich haben viele junge Leute zwar einen Schulabschluß aber keine Berufsausbildung.
Was für Europäer auch noch schwer verständlich ist, ist die Behandlung der Hunden und Katzen. Hunde sind sehr beliebt und viele möchten einen Hund haben, nur es wird sich nicht um die Hunde gekümmert. Was bei uns die Tiere zu viel an Zuwendung und Fressen bekommen, bekommen sie hier zu wenig.
Sie müssen sich ihr Fressen selber suchen und daher werden in der Nacht sämtliche Abfallcontainer nach Fressen abgesucht und in der Früh‘ liegt überall der Abfall umeinander.
Dadurch, dass die Tiere nicht ausreichend zu fressen haben, bekommen sie ein schlechtes Fell und alle möglichen Krankheiten und sie sind die ganze Nacht unterwegs und liefern sich Kämpfe, manche verwildern auch und leben tagsüber in den Wäldern.
Im Gegensatz dazu werden die Kampfhähne gehegt und gepflegt, massiert, gewaschen, im Arm umeinandergetragen, Vitamine gegeben usw.
Und es wird immer noch viel Geld bei den Hahnenkämpfen verloren. Einheimische Frauen sind beim Hahnenkampf als Zuschauer verboten, ich sage immer „Klar, dann würden sie ja sehen, was die Männer verspielen und dann wäre Zoff zu Hause“.
Werten kann ich das nicht, es ist eine andere Kultur und das muß man halt akzeptieren.
Bist du in den kulturellen Alltag der Balinesen integriert? Wie nimmst du an diesem teil? Bist du akzeptiert?
Bedingt nimmt man teil und ist integriert. Ich werde häufig eingeladen und wenn wichtige Tempelzeremonien sind und ich beim ersten Tag nicht im Tempel war, werde ich schon auf der Straße angesprochen „Mama, you not in temple today?“.
Ich sage dann, dass die Zeremonie ja 3 Tage dauert und ich später mit Freunden gehe. Das mache ich natürlich auch. Ich merke eine gewisse Akzeptanz. Aber trotz aller Sympathie sowie Akzeptanz bleibe ich ein Bule (dt. Ausländer) und Gast in diesem Land und darüber bin ich mir auch bewusst.
Welche Probleme siehst du derzeit und zukünftig auf Bali?
Bali ist seit Jahrhunderten stark bevölkert und besonders im Süden explodiert der Tourismus und damit werden wohl einige Probleme kommen. Viele Menschen von anderen Inseln wollen auf Bali arbeiten und leben und bringen natürlich ihre eigene Kultur mit.
Dann verschwinden teilweise die Reisfelder, um Platz für Neubauten zu schaffen. Gerade in der Bebauung müssen die Balinesen sich was einfallen lassen. Der Charme der Insel darf nicht verloren gehen. Diese riesigen Hotelkomplexe haben nicht mehr den typischen balinesischen Charme.
Eingehend mit dem explodierenden Tourismus muß eine ordentliche Abfallbeseitigung stattfinden. Und diese fehlt ganz und gar. Es wäre vielleicht ganz gut, wenn man eine gut funktionierende gefilterte Müllverbrennung einführen würde. Einfach nur den Mist lagern und beim Regen wird er ins Meer gespült, ist keine Lösung.
Wie sieht derzeit deine typische Woche auf Bali aus?
Ein typischer Tag ist: Morgens um 5.30 h stehe ich meistens auf; zeuge meinen Respekt in Form von Blumenofferings und Incensesticks den Göttern (Haustempel, Ganesha, Buddha und Eingang aufs Grundstück); bei Bedarf zum Markt; 30-60 Minuten Yogaübungen auf der noch kühlen Terrasse; in Ruhe auf der Terrasse frühstücken und meine E-Mails abrufen.
Danach Beach oder mit Freunden etwas unternehmen. Ca. 2 x wöchentlich tauchen gehen. Einmal in der Woche fahre ich bereits um 6.30 h nach Ubud, um dort in der Yoga Barn bei meiner Lieblingslehrerin Malika am Unterricht teilzunehmen.
Di, Do und Sa am Nachmittag nach Candidasa, dort unterrichtet Kawi im Ashram Yoga und ich liebe seine Stunden. Kawi ist Balinese und einfach angenehm und ein guter Lehrer. Oft sind Freunde auf Urlaub hier und ich zeige ihnen Teile von Bali, die sie sonst wohl nicht wahrnehmen würden.
Ab und zu ist auch im Haus was zu erledigen oder Fahrt in den Süden, um Sachen zu kaufen, die es hier am Markt oder im Supermarkt nicht gibt. Unterwegs bin ich fast nur mit dem Roller. Nur bei schweren oder sperrigen Sachen leihe ich ein Auto. – Mit dem Roller kann man ganz schön viel transportieren!
Was empfiehlst du anderen Auswanderern, jene die Bali als Ziel haben?
Die Erwartungen nicht zu hoch schrauben und oft mal Fünfe gerade sein lassen. Nicht in balinesische Angelegenheiten einmischen. Man kann Menschen, die seit ewigen Zeiten in diesem Gefüge leben, nicht mit europäischen Maßstäben messen und ihnen die eigene Meinung aufzwingen.
Sie leben sowieso so wie sie wollen. Die Balinesen sind zu höflich, um zu sagen „Lass‘ mich doch einfach in Ruhe und behalte deine Meinung für dich“. Sich darüber bewusst werden, dass man auf Bali kaum eine Arbeit bekommt und falls man einfache Arbeiten annimmt, nimmt man einem Indonesier die Arbeit weg.
Entweder eine Firma gründen oder im oberen Management arbeiten. Manche Unternehmen brauchen deutschsprachige Angestellte und solche Arbeit muss man halt suchen.
Mein Mann und ich sind in der glücklichen lage, bereits Pension zu beziehen. Unsere Pension ist nicht hoch aber für ein Leben auf Bali und zu Hause ausreichend. Wir brauchen keinen Luxus und können uns eigentlich unsere Wünsche erfüllen.
Was sind deine Zukunftspläne? Und wo möchtest du innerhalb Indonesiens noch gerne reisen?
Wir haben das Haus jetzt einmal bis 2018 gemietet und was danach kommt, sehen wir dann.
Jedes Jahr schauen wir uns auch andere Teile von Indonesien an. Es gibt so viele wunderschöne Inseln, verschiedene Kulturen und so tolle Tauchgebiete hier – das dauert Jahre, um einen Bruchteil zu sehen.
Bisher waren wir:
mehrfach auf Lombok, Gili Air (einmal 3 Nächte hat gereicht aber Sekotong und andere Teile des Südens sind sehr schön). Flores ist interessant; Bromo Gebiet auf Java; Sulawesi haben wir bisher 3 x besucht und zwar: Makassar, Tanah Toraja, Togian Islands (auch tauchen), Pulau Buton und WAKATOBI (tauchen); Raja Ampat 6 Tage mit einem Tauchschiff.
Dieses Jahr werden wir endlich mal für 4 Tage Yogyakarta besuchen.
Im nächsten Jahr möchten wir eine Orang Utan Station in Kalimantan mit einem Wohnschiff bereisen. Eine Freundin hat mir einen sehr guten Guide empfohlen.
Welche Insider-Tipps würdest du Backpackern in Bali geben?
Weg vom Süden, einfach einen Roller mieten (internationalen Führerschein nicht vergessen!) und über die Insel fahren. Da bleiben, wo es gefällt. Nicht zu sehr auf den Lonely Planet hören.
Andere Insider-Tipps sind schwer, da die Interessen ja immer verschieden sind.
Je weiter man von Java und Bali wegkommt, desto teurer werden die Unterkünfte, Transfers und Bier. Man hat auch nicht die Auswahl und muß teilweise das nehmen, was zu bekommen ist.
Noch mehr Tipps für Bali bekommst du in dem Buch “122 Things to Do in Bali“. Auf 372 Seiten versorgen wir dich in der 2. Auflage mit unzähligen Insider-Tipps für die Insel der Götter, damit du die schönsten, authentischsten und abenteuerlichsten Ecken von Bali hautnah erleben kannst – inklusive Empfehlungen zum nachhaltigen Reisen! HAPPY TRAVEL!
Danke Hella, für diesen wunderbaren Einblick in dein balinesisches Leben. Hut ab! Ich denke, dass sich viele Menschen eine Scheibe von Hella abschneiden können.
Auch mit 60+ kann man Abenteuer wagen, in einer komplett anderen Kultur leben, sich wohl fühlen, zu Hause sein. Man kann es nicht nur, man sollte dies tun! Ich hoffe, dass dieses Interview viele Menschen dazu motiviert ihren Träumen nachzugehen. Was denkt ihr dazu? Fragen oder Anregungen? Her damit!
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