Tambora Vulkanausbruch 1815: Ein Jahr ohne Sommer

Ein Beitrag von Michael Leitzinger

Was passierte bei dem Ausbruch des Tambora-Vulkans auf Sumbawa in Indonesien im Jahr 1815? Welche globalen Folgen hatte die Naturkatastrophe, von der man noch heute redet? Ich habe mich für dich auf die Suche nach Antworten begeben und spannende Dinge herausgefunden.

In diesem Artikel berichte ich von dem schwersten Vulkanausbruch in der Menschheitsgeschichte, einem Jahr ohne Sommer und spektakulären Sonnenuntergänge, die Maler noch Jahre später inspirierten.

Der gewaltige Ausbruch des Vulkans Tambora am 10. April 1815 auf Sumbawa in Indonesien war eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmasses.

Die obersten 1.500 Meter des Vulkans wurden regelrecht weggesprengt – mit einer Sprengkraft von 170.000 Hiroshima-Bomben.

Der einst so mächtige Gipfel schrumpfte von 4.300 Metern Höhe auf 2.800 Meter.

Im Umkreis von 600 Kilometern blieb der Himmel zwei Tage fast vollständig verdunkelt.

150 Kubikkilometer an vulkanischem Material hatte er herausgeschleudert. Zum Vergleich: beim Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajoekull im Jahre 2010 waren es gerade mal 0,14 Kubikkilometer.

Als der Brite Thomas Stamford Raffles, damals Gouverneur des Inselreichs Java,  am 05. April 1815 einen lautstarken Knall vernahm, vermutete er zuerst einen Kanonenbeschuss und mobilisierte seine Truppen. Raffles war in Batavia (dem heutigen Jakarta),  gute 800 km vom berstenden Tambora-Vulkan entfernt. Am 10. April war das Explosionsgeräusch dann so ohrenbetäubend, dass selbst im 2.000 Kilometer entfernten Sumatra, die Menschen besorgt gegen den Himmel schauten.

Über 12.000 Menschen starben während des grössten Vulkanausbruchs der Menschheitsgeschichte. Weitere 71.000 Menschen gingen an den Spätfolgen zugrunde, die durch gigantische Aschemassen und Aerosole in der Stratosphaere, dem sogenannten zweiten „Stockwerk“ der Erdatmosphaere, hervorgerufen wurden.

Die Partikel verteilten sich über den Globus und sorgten für einen Jahrestemperaturrückgang. Gerade einmal ein Jahr später, 1816, folgten Missernten, Hungersnöte und Seuchen, speziell in Südeutschland, der Schweiz, dem angrenzenden Frankreich und in Nordamerika.

Dieses katastrophale Ereignis zeigte recht eindrucksvoll, wie Naturgewalten unser Leben auf der Erde prägen und wie globale Klimaveränderungen das gesellschaftliche Leben stark beeinflussen können.

Buchtipp: Tambora und das Jahr ohne Sommer: Wie ein Vulkan die Welt in die Krise stürzte

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Was vom Tambora Vulkan übrig geblieben ist – Foto: Martin Rietze

Wie kam es zu einer derartigen Abkühlung

Relevant für die Klimaveränderungen bei einem Vulkanausbruch ist Schwefeldioxid, aus dem sich Sulfataerosole entwickeln. Gelangen diese bis in die Stratosphäre, können sie das Klima global massgeblich beeinflussen.

Schwefeldioxid wird mit der Zeit zu Schwefelsäure umgewandelt, die wiederum Wasser anzieht und sich kleinste Tröpfchen bilden. Diese so entstandenen Sulfataerosole reflektieren schliesslich das Sonnenlicht, so dass weniger solare Einstrahlung auf der Erdoberfläche ankommt und diese abkühlt.

Besonders wichtig ist jedoch, in welcher Spähre die Sulfataerosole gelangen. Bis in etwa 18 Kilometer Höhe (Troposphäre) werden sie vom Regen rasch ausgewaschen und haben keinerlei Auswirkungen auf das Klima.

Befinden sich die Aerosole aber in der darüber liegenden Stratosphäre, können sie über einige Jahre hinweg existieren. Zugleich werden sie, vor allem wenn der Vulkan in Äquatornähe ausbricht, wie es beim Tambora der Fall war, über den ganzen Erdball verteilt werden.

Buchtipp: Vulkanwinter 1816: Die Welt im Schatten des Tambora 

Das „Jahr ohne Sommer“ ging in die Geschichtsbücher ein

Das Jahr 1816 ging als das „Jahr ohne Sommer“ in die Chroniken der Städte ein. Fast die gesamte Getreide- und Kartoffelernte fiel aus. Die Menschen litten an Hunger und der Getreidepreis stieg unaufhaltsam in die Höhe.

Besonders die Landbevölkerung war doppelt davon betroffen: die Missernte bedeutete einen Ausfall der Einnahmen in diesem Jahr und auch ihre wegfallende Eigenversorgung. In ihrer Not haben sie ihre Zugtiere geschlachtet und die Saatkartoffeln wieder ausgegraben. Mit Gipspulver, Eichel- oder Sägemehl gebackene Hungerbrötchen waren ihr Brotersatz. 

Zwar kam es 1817 wieder zu einer normalen Ernte und die Brotpreise konnten sich erholen, doch für viele war es einfach längst zu spät. Sie hatten ihr Hab und Gut verkaufen müssen, um zu überleben.

Eine Auswanderungswelle erfasste Württemberg und Baden, die Schweiz und das Elsass. Sie verliessen ihre schweren Herzens ihre Heimat und wanderten nach Amerika und Russland aus.

Zwei Monster und ein Volksfest

1816 war auch das Jahr, als zwei literarische Monster und die Idee zu einem Volksfest geboren wurde. Die Sprache ist von Mary Godwins „Frankenstein“ und John William Polidoris „Vampyre“. 

An einem kalten und wie in diesem“ Jahr ohne Sommer“ üblichen verregneten Tag, beschlossen die beiden, unabhängig voneinander, eine Gruselgeschichte zu verfassen, um ihren Urlaubsaufenthalt in der Schweiz noch etwas Positives abgewinnen zu können. 

Im fast 12.000 Kilometer von Indonesien entfernten deutschen Königreich Württemberg verschwand auch die Sonne hinter einer düsteren Wolkendecke.

Kaum vorstellbar: Schnee im Juli auf der Schwäbischen Alb! Wochenlange Regenfälle in den Niederungen, die unweigerlich zu Überschwemmungen führten.

Es war das Königsehepaar Wilhelm I mit seiner Königin Katharina die ein grosses Herz für ihre Untertanen hatten und Suppenküchen und Armenspeisungen einrichteten.

Dann kam die verrückte Idee zum „Landwirtschaftlichen Fest zu Kannstadt“. Auf diesem Event, wie man heute sagen würde, wollte Wilhelm I Bauern aufklären, um künftig höhere Erträge zu erlangen. Es gab Auszeichnungen für beste Erzeugnisse in der Viehzucht.

Als weiteren Publikumsmagnet setzte der Koenig auf Volksbelustigung . Der erste Termin war am 28. September 1818, seinem Geburtstag. Die Geburtsstunde des Cannstatter Wasen, dem zweitgrößten Volksfest der Welt!

Als Symbol der Fruchtbarkeit liess er inmitten des Festplatzes eine 15 Meter hohe Fruchtsäule errichten, die bis in unsere Tage das Wahrzeichen des Cannstatter Wasens darstellt.

Interessanter TV-Bericht über das „Jahr ohne Sommer“ und die Entstehung des Stuttgarter Volksfests:

Wussten die Menschen eigentlich damals was die Ursache war?

Das einfache Volk wusste nicht, was vor sich ging, wer oder was den Himmel so drastisch verdunkelte. In ihren Augen musste es die Strafe Gottes sein – der Beginn des prophezeiten Weltuntergangs.

Der gebildete Stand jedoch wusste von diesem bis dato weltgrössten Vulkanausbruch. In einer Tagebuchaufzeichnung von Johann Wolfgang von Goethe kann man nachlesen, dass er aus dem „Morgenblatt für gebildete Stände“ davon erfuhr. 

Eindrucksvolle Sonnenuntergänge durch Staubpartikel in der Stratosphäre

Doch das war noch nicht alles, was der „Urknall“ des Tambora-Vulkans ausgelöst hatte.

Auf Grund der vielen Staubpartikel (Aerosole) in der Stratosphäre, die einen Teil der Sonnenstrahlen ablenkten und das für das menschliche Auge sichtbare Farbspektrum veränderten, kam es zu unbeschreiblich eindrucksvollen Sonnenuntergängen.

Die Sonnenuntergänge inspirierten Maler wie William Turner mit „Dido erbaut Karthago“ und Caspar David Friedrich mit „Frau vor untergehender Sonne“ und „Ansicht eines Hafens“ zu farbenglühenden Gemälden.

Dido erbaut Karthago, 1815 (William Turner)

Eine Katastrophe, die auch Fortschritt brachte

Reitpferde konnten nicht mehr ausreichend ernährt werden und so entwarf der aus Sauerbronn bei Karlsruhe stammende Tüftler Karl von Drais die „Laufmaschine“ auch „Draisine“ genannt . Heute gilt er als Ur-Vater des Fahrrads.

In Giessen hingegen machte Justus Liebig mit einer bahnbrechende Erfindung auf sich aufmerksam, dem Kunstdünger.

Das württembergische Königspaar gründete vor den Toren Stuttgarts eine landwirtschaftliche Unterrichts-, Versuchs- und Musteranstalt, aus der später die Universität Hohenheim hervorging.

Um verbesserte Gerätschaften rasch großflächig einzuführen, wurden die dort entwickelten Eggen und Pflüge als kleine Modelle in grosser Auflage aus Holz und Eisen gefertigt und an die Handwerker zum Nachbauen verteilt.

Nicht zu vergessen, es fand auch eine Entwicklung im Bereich des Bankenwesen statt: nämlich die Einführung der Sparkasse. Absichtlich wurde der  Begriff „Bank“ im Titel unterdrückt, weil man zu damaliger Zeit eine Bank mit Bankrott in Verbindung gebracht hatte.

Auf keinen Fall darf man die Erfindung des Versicherungswesens unter den Tisch kehren, denn auch das einfache Volk sollte die Möglichkeit bekommen, eine Vorsorge betreiben zu können.

Um die damals aufkommende Cholera, die durch kontaminiertes Wasser verbreitet wurde, zu unterdrücken, begann man in den Städten komplette Abwasserentsorgungsnetze anzugelegen.

Der Tambora-Ausbruch führte somit letztendlich zur Einführung der Kanalisation.

Das Tambora-Gebirge in Sumbawa heute

Untergang eines Königreichs

Aber was geschah eigentlich in der direkten Umgebung des Tamboras?

Die Bewohner des legendären Königreichs namens Tambora bevölkerten die Vulkanflanken.  Recht lange Zeit kursierten lediglich Mythen und Gerüchte um dieses Volk, die womöglich der Mon-Khmer-Sprachengruppe angehörten, die heute noch über Süd- und Südostasien verbreitet ist.

In den 1980iger Jahren fand man vereinzelt und verstreut Tonscherben und menschliche Knochen. Diese lockten 2004 das zweite Mal den isländischen Vulkanologen Haraldur Sigurdsson nach Sumbawa, wo er mit seinem Team mit ersten Ausgrabungen am Fusse des Vulkans begann. Sie waren erfolgreich.

Unter einer drei Meter mächtigen Schicht aus Ablagerungen pyroklastischer Ströme (Glutlawinen), deren Gluthitze nur wenig widerstehen konnte, kam ein deutlicher Gebäudegrundriss  zu Tage, in dem zwei menschliche Skelette lagen.

Die Holzbauteile des Hauses waren komplett verkohlt. Auch die Skelettknochen befanden sich in einem leidlichen Zustand. Lediglich chinesisches Porzellan, Eisenwerkzeuge und Kupfertöpfe überstanden die Höllenhitze.

Weitere Grabungen im „Pompeji des Ostens“ brachten ein vollständigeres Bild vom einstigen Königreich Tamboras zu Licht, dass eher einer dörflichen Struktur glich.

Juwelenfunde deuteten auf einen einstigen Reichtum der Menschen hin. Vermutlich handelten sie mit kostbarem Sandelholz, Bienenhonig und Pferden.

Weitere Skelette wurden entdeckt. Eines davon bedeckt seinen Kopf mit der Hand, wohl um sich in letzter Minute noch zu schützen.

Lesetipp: Königreich von Tambora wieder entdeckt

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Über den Autor: Michael Leitzinger lebt auf Sulawesi und ist u.a. Expeditionsleiter. So oft es geht zieht es ihn nach draussen in die Natur. Neben Tauchen, Kochen und Bergsteigen erforscht er gerne unbekannte Inseln, undurchdringliche Regenwälder und Naturvölker. Für namhafte Fernsehsender organisiert er Drehs und ist seit 1990 vom Indonesien-Virus befallen.

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