Ein Gastbeitrag von Anna-Carina Kruse von waytooindo.org
Der gemeinnützige Verein Yayasan Museum Pusaka Nias ist beides: Museum und NGO auf der Insel Nias. Doch ist das MPN mehr als nur ein verstaubtes Museum – das Geheimnis heißt „Rekreation“.
10 spannende Fakten über Nias
1. Dass die meisten Niasser Bergbewohner sind und deshalb keine Vorliebe für das Meer haben?
2. Dass das Herz der Niasser für die Schweinezucht schlägt, kein traditionelles Fest ohne Schweinefleisch vorstellbar ist und dadurch eine großflächige Verbreitung des Islams auf der Insel verhindert wurde?
3. Dass die meisten männlichen Niasser im Norden als Vorbereitung zum Eintritt ins Mannesalter beschnitten werden?
4. Dass man schon vor 1.000 Jahren in arabischen Schriften zu berichten wusste, dass ein junger Mann auf Nias erst dann heiraten könne, wenn er zuvor einen Menschenkopf erbeutet hatte?
5. Dass man vor gut 200 Jahren Kinder und Jugendliche im Austausch gegen kostbare Waren wie chinesische Keramik oder Messing, Silber und Gold exportierte?
6. Dass 1845 erst die holländische Kolonialregierung, dann 1865 die christliche Mission Fuß erfolgreich Fuß fasste, bevor sich daraufhin die Japaner (1942 bis 1945) als Kolonialherren in Holländisch Ostindien versuchten?
7. Dass die christliche Kirche den ursprünglich animistischen Glauben zwar weitestgehend verdrängt hat, aber die zahlreichen Mythen und Geschichten in Erzählungen bis heute weiterleben?
8. Dass insbesondere australische Surfer gekommen waren und dieWellen der Lagundri-Bucht und der Insel Asu weltweit bekannt machten?
9. Dass Nias für seine megalithische Dorfkultur sowie für seine einzigartigen traditionellen Pfahlhausbauten bekannt ist?
10. Dass die Niasser früher ihre Ahnen verehrten, die oft in Steh-, Hänge- oder Sitzsärgen bestattet wurden?
Ein virtueller Rundgang
Es ist Sonntag und Hauptbesuchstag des Museums. Kinder plantschen im Meer und am Strand des Museums Pusaka Nias („Das Erbe von Nias“). Hier tummeln sich verliebte Paare, Familien und zahlreiche Jugendliche in Gruppen. Sie sind fast ausschließlich von hier, gehen spazieren und entdecken in gemütlicher Atmosphäre das vielfältige Museumsgelände. Alle Besucher tragen ihre besten Kleider, es sind die noch von morgens früh aus dem Gottesdienst. Sie kommen ins Museum um sich zu erholen und um Spaß zu haben.
Für schlappe 5.000 Rupiah kann sich jeder Niasser einen Besuch leisten im schönsten Ort Gunung Sitolis. Denn: Das Museum ist der grünste und sauberste Flecken der Stadt – ein Naturerlebnis ohne weit dafür raus fahren zu müssen.
Normalerweise besucht man ein Museum maximal ein Mal, bevor man sich ein neues anschaut. Anders in diesem Fall: Die Menschen kommen mindestens ein Mal pro Woche ins Museum, denn es ist vielmehr eine Art Treffpunkt. Die Museumshallen sind quasi nur für Touristen und ohnehin Nebensache. Vorrangig ist es ein Ort der Erholung und Entspannung – ein tempat rekreasi.
Für in- und ausländische Touristen bietet das Museum außergewöhnliche Übernachtungsmöglichkeiten in typischen Niasbauten direkt am Meer, aber vor allem einen exzellenten Einstieg in die Identität und Kultur der Niasser. Lokale Akteure treffen sich zum Beispiel um Besprechungen abzuhalten. Denn: Das MPN vermietet Räume an Firmen und Privatpersonen und ist deshalb sowohl ein Ort der ausgestellten sowie gelebten Kultur. Selbst die UNESCO empfehlt Touristen einen Besuch im Museum Pusaka Nias. Museumsgründer P. Johannes M. Hämmerle erhielt für seine kulturellen Verdienste auf der Insel sogar eine Auszeichnung vom Kultusministeriums der indonesischen Regierung (September 2014).
Mehr als ein Museum
Wie für Museen typisch gibt es auch hier diese Halle voll mit Glasvitrinen und Exponaten. In diesem Fall sind es vier großzügige Pavillons, erbaut von einem Architekten aus der Schweiz. Drei davon sind als andauernde Ausstellung angelegt, einer als temporäre. Die kuriosen Exponate darin werfen Fragen auf und sind Zeitzeugen der unheimlich spannenden sozialhistorischen Vergangenheit der so genannten Oho Niha (Bahasa Nias für: Niasser, wörtl. Menschenkinder).
Traditionelle Pfahlbauten & ihre Bedeutung
Ein großer Blickfang sind die traditionellen Stelzenhäuser (rumah adat), die auch angemietet werden können. Die runde Form ist für Nord-Nias typisch, während die eckigen aus Süd-Nias stammen. Sie besitzen eine Dreiteiligkeit: Die als Aufständerung ausgebildete Substruktion des Bauwerks ist die niedere Welt ursprünglich mal für Stallungen und Abfälle wird assoziiert mit „animalischen Begierden“ und war der Ort für die minderwertigen Tiere. Die mittlere Zone – die so genannte Wandzone – stellt den Wohnraum für Menschen und symbolisiert deshalb die irdische Welt. Ganz oben bildet das Dach die höchste Zone und steht für den Luftraum.
Wer spontan dort unterkommen möchte, schaut am besten in der museumseigenen Bibliothek bei Pak Gulö vorbei. Die Buchungen der traditionellen Häuser oder einzelnen Zimmer im Gästehaus werden durch ihn verantwortet. Die Preise variieren je nachdem ob pro Nacht, pro Woche, pro 1 bzw. 3 Monate oder 6 Monate gemietet wird.
Bibliothek und Forschung
Auch die Literaturbegeisterten kommen hier auf ihre vollen Kosten. Wer neugierig auf Nias geworden ist und weitere Details nachforschen möchte, kann in der Bibliothek Fakten und Hintergründe der Kultur erfahren.
Neben Fachliteratur auf Deutsch, Englisch, Indonesisch und Niassisch liegen Reiseführer zum Schmökern aus.
Forschungsgebiete im Museum:
- Architektur (z.B: Alain Viaro aus der Schweiz)
- Ursprung der Nias-Sprache (Prof. Hans Kähler 1912-1983, heute: Roger Blench)
- Ursprung bzw. Verwandtschaft der Niasser selbst (Prof. Ingo. Kennerknecht, Humangenetisches Institut Münster)
- Archäologie (Höhle Tögi Ndrawa bei Gungsitoli)
- Hämmerle (2014): „150 years ethnological interpretation and misinterpretation on the example of Nias, Indonesia,“ published by ANTHROPOS.
Weitere Kulturelle Reichtümer des MPNs
Cafeteria
Ein „Ort der Rekreation“ ist wohl kaum ohne kulinarisches Wohl möglich. Die Kantine bzw. Cafeteria ist ein lebendiger Ort mit Musik und gutem Service. Neben den zahlreichen Fertigessen und kleineren Snacks, gibt es eine große Auswahl an Nudeln und gebratenen Reis. Alle Gerichte und die frisch bereiteten Säfte (Avocado, Gurke, Terung Belanda) werden auch an die kleinen Tische im Park gebracht.
Mini-Zoo
Meeresküste, Wasserrutschen, natürlicher Pool für Nichtschwimmer und davon ausgehend die grüne Parkanlage. Neben schattenspendenden Hütten (pondok) und Sitzgelegenheiten, trifft man inmitten der Parkanlage auf einen Mini-Zoo. Dort leben die Krokodile in Gefangenschaft, die gefangen wurden da sie bereits Menschen in Flussnähe lebend angegriffen haben. Krokodile, die im animistischen Glauben eine große spirituelle Bedeutung hatten dürfen bis heute eigentlich nicht getötet und deshalb nur gefangen werden.
Darüberhinaus gibt es auch andere friedlichere Tiere indonesischer Abstammung, wie z. B. Affen, Schlangen, Musangs, uvm.
Kräuterkunde & Traditionelle Medizin
Auf dem Museumgelände befinden sich viele Bäume und andere Heilpflanzen, die fester Bestandteil traditioneller Medizin sind. In einem kleinen Shop sind einige Heilpflanzen wie getrockneter Ingwer oder Kurkuma für ca. 15.000 Rp. erhältlich.
Zum Verkauf stehen dort auch gemäß katholischem Glauben, eine Reihe geschnitzter Holzkreuze und Maria-Statuen. #UnnützesWissen: Dem indonesischen Jesus aus Holz wird übrigens eine kleinere Nase verpasst, als der europäischen Version.
Müllerziehung
Das Museum ist einer der saubersten und daher auch einer, der attraktivsten Orte der Stadt. Jeden Montag wenn der große Ansturm von Menschen sich gelegt hat, investiert die gesamte Belegschaft zwei bis drei Stunden ihrer Arbeitszeit ins Fegen und Aufräumen des Mülls. Es ist gesellschaftlich leider noch nicht verankert, dass der Müll im Mülleimer und nicht im Zoogehege oder im Meer landet.
Mülltonnen werden hier geflickt: Ein Anliegen des Gründers ist es, ein Umweltbewusstsein zu schaffen. Seit kurzem gibt es daher ein Schild das aufzeigt, wie viele Jahre die Natur braucht um Popmie-Nudelbecher (und andere landestypische Snack-Verpackungen) zu verdauen.
Schulaktivitäten
Einen Tag pro Jahr werden Schulklassen ins Museum eingeladen, um sie für ihr eigenes kulturelles Erbe zu inspirieren. Leider wird es oft als veraltet angesehen und deshalb stiefmütterlich behandelt. Auch deshalb hat das MPN den Schulen einfache traditionelle Musikinstrumente gegeben und sie in ihrer Benutzung geschult. Dies wird mit Hilfe von Spendengeldern finanziert, auf die der Verein kontinuierlich angewiesen ist.
Willkommen sind
- Internationale Besucher (Lonely Planet’s Top Choice)
- Backpacker & Surfer
- Expats
- Volunteers ( z. B. über das ASA-Programm)
- Kleine Spenden
Titelbild: Björn Svensson
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