Seit nun mehr als zehn Jahren bin ich nomadisch in der Welt unterwegs.
Ich habe mehrere Semester im Ausland studiert, viele Monate in Asien gejobbt, und lebe nun schon fast fünf Jahre als Digitale Nomadin überall und nirgendwo. Seit mehr als drei Jahren habe ich einen wundervollen Partner an meiner Seite, mit dem ich die Zeit unterwegs teilen kann.
Ich bin durch viele gute und schlechte Phasen gegangen und habe immer wieder Menschen kennen gelernt, die ähnliche Phasen durchlaufen haben.
Deswegen will ich dich heute auf eine Reise mitnehmen. Eine Reise durch die verschiedenen Phasen von Langzeitreisenden. Dabei durchläuft natürlich nicht jeder Mensch jede Station. Manche Nomaden sind länger in einer Phase als in der anderen. Andere überspringen sogar eine oder mehrere Stationen. Oder man springt von Phase zu Phase hin und zurück.
Vielleicht erkennst du dich in einem der Phasen wieder? Vielleicht fehlt dir ein Abschnitt, den du selber durchlaufen hast? Und vielleicht weißt du, was nach Phase 9 kommt?

Phase 1: Die Neugierde auf die Welt
Du verspürst das innere Bedürfnis die Welt zu entdecken und neue Kulturen kennenzulernen. Du willst auf einer tropischen Insel leben, die Wüste durchqueren und in buddhistischen Tempeln meditieren.
Je mehr du über eine mögliche Weltreise nachdenkst, desto düsterer kommt dir dein aktueller Alltag vor. Jeder Tag nervt dich mehr, bis zu dem Zeitpunkt, an dem du dein One-Way-Flugticket nach Bangkok buchst.
Die erste längere Reise ins Ausland kann dabei ganz verschiedene Gesichter haben.
Bei mir war es ein Auslandsjahr an einer Uni in Südkorea.
Bei anderen hingegen führte die Neugierde auf die Welt zu einer selbst finanzierten Weltreise.
Bei vielen jungen Opfern von Fernweh ist es ein Work and Travel Year in Australien oder Neuseeland oder eine Backpackerreise durch Südostasien.
Und heute steht bei vielen das Entdecken von Europa in einem selbst ausgebauten Van à la #vanlife ganz weit oben auf der „bucket list“.

Phase 2: Die erste längere Reise
Die erste längere Reise stellt dein ganzes Leben auf den Kopf.
Die Bedenken und Ängste, die man dir noch in der Heimat in den Kopf gepflanzt hat, werden nach kurzer Zeit „on the road“ von dir über Bord geworfen. Alles ist viel einfacher, als du es dir ausgemalt hast.
Die Welt steht dir offen.
Du lernst in kürzester Zeit unglaublich viele spannende Menschen mit den unterschiedlichsten Lebenskonzepten kennen. Vielleicht verlierst du sogar dein Herz unterwegs.
Du saugst die neuen Eindrücke in dich auf und kannst nicht genug kriegen. Du willst möglichst viel von der einheimischen Bevölkerung lernen. Du willst nur das essen, was bei den Locals auf den Tisch kommst.
Die Reise könnte ewig weitergehen. Du verspürst kein Heimweh. Im Gegenteil: Plötzlich kommt dir deine Heimat langweilig, düster und konservativ vor.
Je näher das Ende deiner Reise rückt, desto intensiver schmiedest du bereits an den Plänen für deinen nächsten großen Trip.
Kurz vor dem Heimflug freust du dich dann doch darauf, deine Freunde und Familie wiederzusehen.

Phase 3: Zurück in der Heimat
Du kommst voller Enthusiasmus zurück nach Hause.
Doch in der Heimat hat sich kaum etwas verändert. Deine Freunde reden immer noch über die gleichen Leute und meckern über die gleichen Dinge.
Dein anfänglicher Enthusiasmus verfliegt. Du schwelgst in Erinnerung von deiner Reise und hast das Gefühl, dass du nicht mehr hier hin passt.
Die Daheimgebliebenen können mit deiner neuen Einstellung zum Leben nichts anfangen. Manche wollen dich auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Du fühlst dich wie ein Alien, das im falschen Land ausgesetzt wurde.
Krampfhaft versuchst du wieder anzukommen. Doch es funktioniert nicht. Das Fernweh frisst dich regelrecht auf. Du suchst mit aller Energie nach Möglichkeiten, das nächsten Abenteuer so schnell es geht umzusetzen.
In der Zwischenzeit suchst du verstärkt den Kontakt zu Gleichgesinnten, um dich verstanden zu fühlen.
Nachdem das nächste Ticket in die weite Welt gebucht ist, kannst du die Tage in der Heimat wieder genießen, da du weißt, dass sie gezählt sind.

Phase 4: Im Flow des Lebens
Du bist voll im Flow des Lebens. Du stellst dir nur selten einen Wecker, lebst in den Tag hinein und lässt dich von der Welt mitziehen.
Durch deine Flexibilität hast du das Glück, viele Chancen wahrzunehmen. Du triffst zur richtigen Zeit die richtigen Menschen, die dir die richtigen Fragen stellen. So ergatterst du vielleicht einen tollen Job im Ausland oder startest ein erfolgreiches Online-Business.
Du gewinnst immer mehr Vertrauen ins Leben und entwickelst eine wundervolle Leichtigkeit für den Alltag. Die Sorgen rund um die Zukunft verblassen immer mehr. Du lebst nur noch im Hier und Jetzt.
Der Flow kann Jahre andauern oder nach wenigen Monaten schon wieder verpuffen.
Mich hat der Flow viele, viele Jahre begleitet.

Phase 5: Reise-Überdruss
Immer häufiger verspürst du das Gefühl von Überdruss. Du kannst dich nicht mehr so sehr an einem wunderschönen tropischen Strand erfreuen, wie du es einst getan hast. Auch die Wasserfälle lösen in dir immer weniger Freude aus. Die Gespräche mit anderen Reisenden langweilen dich häufiger, als dass sie dich inspirieren.
Du suchst eher den Kontakt zu „Deinesgleichen„, um dich über deine Gefühle auszutauschen und suchst immer weniger den Kontakt zu Locals, da du weißt, dass du eh bald weiterziehen wirst.
Dir wird immer klarer, dass langfristige Freundschaften viel mehr wert sind, als du in den letzten Jahren gedacht hast.
Plötzlich vermisst du die Abende auf dem Balkon in einer lauen deutschen Sommernacht mit deinen Freunden und einer Flasche guten Rotwein. Du sehnst dich nach langweiligen Filmabenden und den hitzigen Diskussionen mit deiner Familie.
Morgens stehst du auf und dir stehen alle Türen offen. Du kannst tauchen oder surfen lernen, Tempel besuchen oder am Strand ein gutes Buch lesen. Doch irgendwie hast du keine Lust darauf, dich zu bespaßen. Du willst wieder etwas sinnvolles tun, einer Arbeit nachgehen, etwas lernen, Routine erfahren.
Du spürst, dass es reicht. Du bist dankbar für alles, was du erleben durftest, glaubst aber tief im Inneren, dass es nun Zeit ist, sich niederzulassen.
Du weißt nur nicht wo.

Phase 6: Sesshaft werden oder nicht?
Zurück in der Heimat genießt du die Abende am Balkon mit gutem Wein. Du gehst in dein Lieblingscafé, suchst nach einem Job, genießt den Alltag, die Jahreszeiten und die kleinen Dinge im Leben.
Du läufst durch deine eigene Stadt, als wärst du ein Reisender. Du siehst besondere Details in jeder Ecke und verliebst dich von einem ganz anderen Blickwinkel in deine Heimat.
Und irgendwie findest du die deutsche Mentalität gar nicht mehr so übel, schätzt die Ehrlichkeit und Loyalität deiner Freunde, die Ordnung und Sauberkeit deiner Stadt.
Du bist beflügelt, hast das Gefühl endlich sesshaft werden zu können.
Dann kommt der Winter.
Die ersten Tage genießt du noch das gemütliche Hygge-Leben. Schon viel zu lange hast du nicht mehr Kakao mit Sahne getrunken.
Doch die grauen Tage ziehen sich ziemlich in die Länge. Je dunkler der Tag, desto häufiger tauchen Bilder aus Indonesien, Thailand und Mexico in deinem Kopf auf.
Irgendwann kannst du es nicht mehr verdrängen. Dir fehlt es an Sonne, Abenteuern und Möglichkeiten.
Du weißt, wie einfach der Schritt ins Warme wäre. Wo dich am Anfang noch Bedenken und Ängste vom Handeln abgehalten haben, wüsstest du jetzt genau, was zu tun wäre. Du siehst mittlerweile nur noch Chancen und Möglichkeiten vor dir: Freiwilligenarbeit, Saisonarbeit, Praktika oder das nächste Online-Business. Die Hindernisse sind weitaus kleiner geworden als die Möglichkeiten.
Ein kleiner Samen ist gepflanzt.
Du hältst noch ein paar Tage aus und in einem schwachen Moment bewirbst du dich für einen Job in einem Surfcamp in Portugal.
Das ist ja nicht aus der Welt, redest du dir gut zu.
Das „an einem Ort bleiben“ schiebst du von nun an Jahr für Jahr auf.

Phase 7: Rastlos & Weltschmerz
Und so vergehen die Jahre. Für mehrere Wochen oder Monate bleibst du an einem Ort, bis dich irgendwann ein kleiner Grund wieder dazu drängt, wegzugehen.
Mal ist es das Wetter. Mal die Liebe. Mal eine einzigartige Jobgelegenheit. Mal die „midlife crisis“. Es gibt immer einen Grund, weiterzuziehen, wegzugehen und zurückzukommen.
Es gibt Tage, da fühlst du dich rastlos. Es gibt Tage, da genießt du dein nomadisches Leben.
Das Unterschreiben eines Mietvertrags ist mittlerweile mit genauso vielen Ängsten und Bedenken verbunden, wie deine erste Weltreise.
Du weißt um deine Möglichkeiten Bescheid, wodurch du langfristige Entscheidungen immer schwerer fällen kannst. Das Unterwegssein ist zu deiner neuen Komfortzone geworden.
Du hast viel von der Welt gesehen, leider jedoch nicht nur gutes. Du hast den Müll im Meer, die abgeholzten Regenwälder und die schlechte Luft in asiatischen Großstädten am eigenen Leib erlebt.
Das Gefühl von Weltschmerz kommt immer häufiger auf – und das schlechte Gewissen, wenn du in einem schwachen Moment ans andere Ende der Welt fliegst, um dein Fernweh zu stillen.
Und dann hast du auch noch so viel Zeit über alles nachzudenken.
Statt von deinen zig Flügen vor deinen Freunden zu prahlen, wie du es vor einigen Jahren noch getan hast, verschweigst du deinen kurzen Abstecher auf die kanarischen Inseln derzeit lieber.

Phase 8: Hast du den Zug verpasst?
In deiner nahen Umgebung purzeln die Babys nur so. Alle um dich herum scheinen angekommen zu sein – nur du nicht.
Du hast das Gefühl, dass dich deine Freunde bemitleiden – dass sie dich mittlerweile nur noch als rastlose Herumtreiberin wahrnehmen.
Immer häufiger kommt bei dir die Frage auf, ob du den Zug vielleicht schon verpasst hast.
Du bist dir nicht sicher, ob du mit deinem aktuellen Lebensstil eine feste Partnerschaft aufbauen kannst. Du hast nur noch sporadischen Kontakt mit all den Menschen, die du über die Jahre kennen gelernt hast und zweifelst dein gesamtes Nomadenleben an.
Du sehnst dich nach Beständigkeit, einer soliden Basis, einem Partner, nach Wurzeln.
Je mehr du daran denkst, desto verlorener fühlst du dich.

Phase 9: Angekommen im nicht angekommen sein
Langsam nervt dich deine eigene Einstellung zum Leben.
Du entscheidest dich dazu, dein Leben zu akzeptieren, wie es ist. Es wird schon alles kommen, wie es kommen soll.
Du freust dich für deine Freunde, die dabei sind ihre Familien zu gründen und Karriere zu machen. Aber weißt auch, dass dieses Leben aktuell noch nichts für dich ist, egal wie sehr du es dir eingeredet hast.
Du verstehst auch immer mehr, dass jeder Probleme und schlechte Tage hat, egal welchen Lebensstil man führt.
Du kaufst dir einen Van für kleine Mikro-Abenteuer oder reist nur noch in 3-Monats-Abschnitten. Du bleibst länger an einem Ort und besucht immer wieder die gleichen Ecken, die es dir angetan haben und triffst immer häufiger die gleichen Menschen, die sich irgendwie auch in einer ähnlichen Lebensstation befinden.
Dein Freundeskreis an Langzeitreisenden und Querdenkern ist mittlerweile genauso groß, wie deine Freunde aus der Heimat. Du genießt und schätzt die Einflüsse von beiden Seiten.
Plötzlich hast du das Gefühl, dass du an mehreren Orten auf diesem Planeten zu Hause sein kannst. Bei mir ist das Indonesien, Marokko, Deutschland, die Atlantikküste und mittlerweile auch Norwegen.
Vielleicht lernst du sogar jemanden kennen, der sich in der gleichen Lebensstation wie du befindest, und für eine Weile (oder für immer) die nächsten Stationen mit dir gemeinsam durchlaufen wird.
Du passt deine Umgebung an deine persönliche Entwicklung an und verstehst, dass sich Interessen im Laufe der Jahre verändern. Statt in asiatische Großstädte zieht es dich mittlerweile vielleicht eher in ländliche Regionen. Statt die tropische Hitze genießt du vielleicht gerade viel mehr das arktische Klima. Statt mit dem Rucksack bist du vielleicht lieber mit dem Camper unterwegs.
Du entwickelst langsam aber sicher eine gesunde Routine und Geschwindigkeit im Unterwegssein.
Und plötzlich ist es wieder da. Dieses Bauchkribbeln. Wenn du das erste Mal im Schnee surfst. Wenn du deinen Thermoskannen-Kaffee auf einem Gipfel genießt. Und wenn du Polarlichter am Himmel beim Tanzen beobachtest, während du am Lagerfeuer mit guten Freunden sitzt.
Und dann spürst du es ganz deutlich: Du bist angekommen im nicht angekommen sein.

Phase 10: Die eigene Homebase
Da ich erst bis zur Phase 9 gekommen bin, musst du mir sagen, was in Phase 10 kommt.
Vielleicht findest du den einen Ort, wo du irgendwie hängen bleibst – wegen der Liebe, deiner Familie oder deinen Freunden, einem tollen Job oder aber einfach so.
Vielleicht baust du dir eine kleine eigene Oase auf, die zukünftig das Ziel von Reisenden ist. Somit musst du nicht mehr in die weite Welt ziehen, sondern die weite Welt kommt zu dir.
Vielleicht hast du dich für eine ganz bestimmte Homebase entschieden und reist regelmäßig für ein paar Wochen ins Ausland, freust dich aber jedes Mal wieder nach Hause zu kommen.
Aber vielleicht wirst du auch ewig in einer der oberen Phasen stecken bleiben, was auch völlig okay ist.
Vielleicht erkennst du dich in einem der Phasen wieder? Vielleicht fehlt dir ein Abschnitt, den du selber durchlaufen hast? Und vielleicht weißt du, was nach Phase 9 kommt?

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