Ein Liebesbrief an die goldenen Jahre des Backpackens auf dem Banana Pancake Trail.
Und eine Frage die bleibt: Ist die magische Zeit des Backpackens in Südostasien vorbei?

Der Nachtzug quer durch Thailand spuckte mich in Chiang Mai aus – dem damaligen Backpacker-Paradies im Norden von Thailand. Es war heiß. Sehr heiß, dabei hatte ich auf ein wenig Abkühlung gehofft. Fehlanzeige.
Jetzt hieß es: eine Unterkunft für die ersten Nächte finden. Ich suchte in meinem vollgestopften Reiserucksack nach dem uralten Lonely Planet „South East Asia“ von 2008.
Ich hatte ihn in der Bücher-Tausch-Ecke in einem Hostel in Laos gegen meinen Vietnam Reiseführer eingetauscht.
Ansonsten besaß ich keinerlei Informationen über meine Zieldestination.
Manchmal stellte ich mir vor, wie viele Menschen in den letzten Monaten dieses Buch in ihren Rucksäcken entlang des Banana-Pancake-Trails mitgeschleppt hatten. Manche der Backpacker hatten Orte eingekreist, sie kommentiert oder gar von ihnen abgeraten. Preise wurden handschriftlich angepasst. Manche Seiten fehlten. Hin und wieder entdeckte man eine E-Mail Adresse – das waren wohl die Google Rezensionen von 2009.
Der „beste Anlaufpunkt für Backpacker“ im Lonely Planet war in dieser Zeit – und das ist nun fast 10 Jahre her – wirklich der beste Anlaufpunkt für Backpacker. Hier traf man sie: Diesen ganz besonderen Schlag Mensch, der in Südostasien nach Freiheit, Sinn, Abenteuer und Geschichten über das Leben zwischen Banana Pancakes, Reggea-Musik und Eimersaufen suchte.
Das Reisen in Südostasien war so einfach, dass Abenteurer wie ich überleben konnten – aber noch unsicher genug, um einen Großteil der Bevölkerung abzuschrecken.

Manchmal hatte man Glück und fand relativ schnell eine Unterkunft. Häufiger schleppte man sich jedoch von Hostel zu Hostel, um dann letztendlich in der letzten Absteige unterzukommen – mit etwas Glück gab es einen knatternden Ventilator und keine Bettwanzen.
Nachdem die Schultern vom Rucksack wund gescheuert waren und die eigenen Klamotten nur noch feucht und stinkend am Körper klebten, war einem jedes Zimmer recht: „Okay, I take it!“.
Wenn ich mal wieder in eines dieser Absteigen in Bangkok, Saigon oder Vientiane gestrandet war, stellte ich mir Leonardo DiCaprio in „The Beach“ vor, und fühlte mich verdammt mutig und frei – leider kam bei mir nie ein abgefuckter Nachbar mit einer Schatzkarte vorbei.

In meinen ersten Jahren „on the road“ gab es für mich persönlich keinerlei Möglichkeiten im Voraus eine Unterkunft zu organisieren, denn ein Handy oder Laptop gehörten damals nicht zu meinen Reisebegleitern.
Reiseblogs – wie dieser hier – kannte ich nicht. Dadurch hatte ich keinerlei Erwartungen an einen Ort, denn man wusste nur das, was der Lonely Planet versprach. Und Fotos waren in dem Reiseführer nur spärlich abgedruckt worden.
Für mich hieß das: mehr Platz für Fantasie und Träume und weniger Platz für Erwartungen und Pläne.

Die damalige Backpacker-Bibel wurde von mir zum größten Teil nur für die „erste“ Unterkunft in einem neuen Land genutzt. Danach übernahm der Flow und das Schicksal den weiteren Verlauf der Reise.
Denn mit etwas Glück landete man in dem oben erwähnten „besten Anlaufpunkt für Backpacker“, fand Mitreisende für die nächsten Etappen, erhielt die heißesten Tipps für die Umgebung von den alten Hasen, rauchte gemeinsam Joints, jammte auf Bob Marley und Eagle Eye Cherry, verliebte sich und überbot sich gegenseitig mit Geschichten aus dem Leben „on the road“.
Jene Geschichten waren das einzige was man hatte, um seine Erlebnisse unterwegs mit anderen Menschen zu teilen.
Heute teilen wir unsere Geschichten lieber auf Instagram mit der ganzen Welt.

Nicht selten fand man die große Liebe, die meistens bis zum Abflug hielt. Dann tauschte man seine E-Mail Adresse aus – und wenn man nach dem dritten Besuch im Internetcafé noch immer nichts von seiner „großen Liebe“ gehört hatte, lag dies natürlich daran, dass man mit ziemlicher Sicherheit einen Buchstabendreher in der E-Mail Adresse gehabt hatte 😉
Ich erinnere mich bis heute noch an den Geruch und die Atmosphäre von südostasiatischen Internetcafés. Lokale Jungs zockten Games, während Alleinreisende mit ihren Daheimgebliebenen telefonierten. Ich will gar nicht wissen, wie viele Beziehungen in jenen Internetcafés damals in die Brüche gegangen sind.
Denn hier in Südostasien war einfach alles anders. Losgelöst von seiner Welt Zuhause wurde man zu einem neuen Menschen, der sich nicht mehr mit dem, was er in der Heimat zurückgelassen hatte, identifizieren konnte. Der einzige Kontakt zu Freunden und Familie waren die sporadischen Besuche im Internetcafé. Es gab kein Whatsapp, kein Facebook – und vor allem kein Smartphone.

Man lebte im Hier und Jetzt, ließ sich voll und ganz auf seine Umgebung, die Kultur und die Menschen ein. Diese Zeiten veränderten einen auf eine wundervolle Art und Weise tief im Kern.
Manche von „uns“ waren bereits Monate unterwegs, andere starteten ganz frisch in das Abenteuer „Backpacking Südostasien“.
Egal, wie lange wir bereits unterwegs waren und noch unterwegs sein werden, keiner von uns machte hier „Urlaub“. Wir reisten!

Nicht selten erwischte ich mich dabei, wie ich am Flughafen über Stunden hinweg meine Erfahrungen der letzten Abenteuer niederschrieb, und mir Zeit nahm diese zu verarbeiten. Was sollte ich auch sonst tun?
Heute daddel ich am Flughafen lieber am Laptop rum oder beantworte Sprachnachrichten auf Whatsapp. Leider nicht mehr ganz so cool!
Natürlich kann man auch heute noch diesen „freien“ Zustand künstlich herbeiführen, indem man ohne Handy und Laptop reist. Das wäre dann halt so, als würde man kalt duschen, obwohl man warm duschen könnte. Und es wäre trotzdem nicht das gleiche, weil das ganze Reisen sich einfach verändert hat.
Und hey, ich höre mich gerade wie eine alte Frau an, die in nostalgischen Erinnerungen versinkt. Dabei bin ich gerade mal 28. Aber ich habe sie erlebt: Die magische Zeit des Backpackens. Und ich hatte einfach mal Lust in diese Zeit abzutauchen.
Vielleicht warst auch du vor 2010 / 2011 in der weiten Welt unterwegs und spürst selber, wie sehr sich das Reisen in den letzten Jahren verändert hat.

Noch vor wenigen Jahren gab es eigentlich nur drei Arten von Reisenden: All-Inclusive Reisende, organisierte Individualreisende und Backpacker. Irgendwie waren die Welten klar getrennt und viele der heutigen Reisenden, wären früher vermutlich gar nicht erst losgezogen: zu viel Unsicherheiten lagen auf dem Weg von Deutschland ins weit entfernte Asien.
All-Inclusive-Angebote und organisierten Rundreisen haben sich vermutlich nur geringfügig verändert, die Welt des Backpackens dafür jedoch umso gravierender. Und die Welten der verschiedenen Reisenden verwässern heutzutage zu einer einzigen Flut an Angeboten.
Es gibt nicht mehr „die Anlaufstelle für Backpacker“. Der Lonely Planet ist leider nicht mehr besonders nützlich. Die goldenen Jahre des Verlags sind vermutlich auch irgendwie vorbei…

Dafür ist man überwältigt (und überfordert) von all den Informationen, die es online (auf Blogs, Instagram, Google Maps & Co.) über die nächste Zieldestination gibt.
Man hat Angst etwas zu verpassen.
Man hat viel zu große Erwartungen an Orte, die auf Instagram mit dem richtigen Filter irgendwie ganz anders aussahen. Aber wenn man jetzt schon den weiten Weg auf sich genommen hat, will man zumindest seinen Daheimgebliebenen zeigen, dass man hier war.
Und dann ärgert man sich nach seinem Urlaub, dass man über 50 Prozent der Dinge von der neuen ultimativen „Thailand Bucket List“ nicht abhaken konnte.
Umso weniger tauscht man sich mit anderen Reisenden aus. Jeder ist zu sehr mit sich, mit den Freunden Zuhause, den Followern (die ja heutzutage irgendwie jeder hat) und der Recherche für den nächsten Ort beschäftigt.
Immerhin muss man noch die nächste Unterkunft buchen, die Preise vorher auf Airbnb und booking.com vergleichen, die Rezensionen auf Google Maps durchlesen und ggf. noch den ultimativen Tipp auf Instagram und in Facebook Gruppen erhaschen.
Das die meisten Tipps dann oftmals schon wieder „veraltet“ sind, wenn man dann endlich vor Ort ist, ist eine ganz andere Sache. Denn noch nie haben sich Tourismus-Hotspots so schnell verändert, wie heute.
Damals reiste ich mit einem zwei Jahre alten Lonely Planet. Heutzutage kann man einen zwei Jahre alten Südostasien Reiseführer in die Tonne hauen, da sich einfach alles so verdammt schnell verändert.
Da kommen auch wir Reiseblogger nicht mehr hinterher. Denn alles, was wir heute veröffentlichen, ist morgen schon veraltet. Aber das ist nochmal eine ganz andere Geschichte.
Achja, und die oben erwähnten Schatzkarte von „The Beach“ wäre heutzutage eh nichts besonderes mehr. Im Jahre 2019 würde sich Leonardo DiCaprio einfach mithilfe von Google Maps zu dem geheimen Strand navigieren lassen, der vermutlich schon von abenteuersuchenden Aussteigern überbevölkert wäre.
Immerhin hätte man dann vielleicht Hilfe für den vom Hai angegriffenen Schweden holen können. Alles hat eben immer zwei Seiten.

Manchmal erhalte ich Fragen via E-Mail oder Social Media von Reisenden vor Ort. Fragen, die man anderen Reisenden vor Ort stellen könnte.
Aber anscheinend ist die Hürde geringer, einen fremden Blogger zu fragen, als den Menschen im Nachbar-Bungalow oder am eigenen Tisch im Restaurant.
Natürlich liegt dies daran, dass man uns Bloggern vertraut. Aber wissen wir wirklich so viel mehr, als der Reisende nebenan?
In meinem allerersten Artikel schrieb ich: „Du suchst nach einem leckeren Restaurant? Dann frag mal deinen Homestay-Besitzer, wo er am liebsten zum Essen hingeht.“.
Und das ist vermutlich auch heute noch der beste Weg für Tipps: Die Kommunikation vor Ort – mit Locals und Reisenden.

Vielleicht sollten wir bei unserem nächsten Urlaub unsere Smartphones Zuhause lassen, und stattdessen wieder mehr Platz für Überraschungen, für den Flow, für Magie und für das Hier und Jetzt schaffen.
Dann müssten wir keine Zeit für Recherchen vor Ort, dem sinnlosen Scrollen auf Instagram, dem Vergleichen von Tausenden Unterkünften auf Airbnb und booking.com und dem Fotografieren von überlaufenen Touri Hotspots investieren – und können stattdessen wieder mehr Geschichten über unser Leben schreiben!
Vielleicht sollten wir mal komplett ohne Pläne aufbrechen und uns einfach treiben lassen.
Vielleicht sollten wir einfach mal nichts (!) über unseren Zielort im Voraus recherchieren, sondern einfach nur ins kalte Nass – in die Ungewissheit – springen.
Und mit ziemlicher Sicherheit wirst du dann einen ganz wundervollen Ort finden, den du niemals online gefunden hättest.
Und das Schöne: Du wirst gar nicht wissen, dass es woanders vielleicht viel schöner gewesen wäre.

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