Für diejenigen, die häufiger in Indonesien unterwegs sind, gehört es zum Alltag. Diejenigen, die ihre erste Reise in den Inselstaat planen, werden mit Sicherheit damit konfrontiert werden.
„Bule“ ist neben „Mister“ und „Miss“ das am häufigsten genutzte Wort, wenn Indonesier über Ausländer sprechen.
Ein Grund also, das Wort genauer unter die Lupe zu nehmen. Was bedeutet es? In welchem Zusammenhang wird es verwendet? Ist es vielleicht sogar abwertend gemeint?
„Bule“ bedeutet Albino
Die wörtliche Übersetzung von „Bule” ist Albino.
Verwendet wird das Wort normalerweise für alle nicht-asiatischen Ausländer oder Ausländer mit einer helleren Haut- und Augenfarbe als die Indonesier.
Und während die einen Ausländer es sogar selber verwenden, wird in anderen Kreisen darüber gestritten, ob es rassistisch ist oder nicht.
Woher kommen diese unterschiedlichen Meinungen?

Wann begegnet uns dieses Wort?
Das Wort „Bule“ ist in kaum einem Wörterbuch zu finden. In welchem Zusammenhang es zuerst verwendet wurde, ist unklar.
Einige vertreten die Meinung, dass es aus dem Javanischen kommt. Aus „Bulai“, was so viel wie Albino bedeutet, wurde „Bule“.
Andere wiederum behaupten, dass „bule“ für den gebleichten, leicht rosa Farbton verwendet wurde, der entsteht, wenn Stoffe zu lange in der Sonne liegen. Kaukasier oder Europäer bekommen eine ähnlich rosa angehauchte Hautfarbe, wenn sie zu lange in der Sonne sind.
Die ersten Indonesier, die Europäer sahen, gaben ihnen somit den Namen „Bule“.
Im Kamus Besar Bahasa Indonesia („Das große Wörterbuch der indonesischen Sprache“) wird erklärt, dass „Bule“ für alle Ausländer in Indonesien verwendet wird – egal wie lange sie schon hier leben oder wie gut sie sich integriert haben.
Meist sind damit Kaukasier (Europäer), Amerikaner und Australier gemeint, asiatische Ausländer sind davon ausgeschlossen. In einigen Fällen können wir sogar bule afrika für Menschen afrikanischer Abstammung oder bule arab für Menschen arabischer Abstammung hören.
In Indonesien ist das Wort allgegenwärtig, sobald es um einen Ausländer geht.
Anfangs nehmen wir es vielleicht nur als leises Flüstern wahr, bald schon in einem ungezwungenen Gespräch zweier Indonesier oder – je nach Urlaubsort – als lautes Rufen auf der Straße.
Je aufmerksamer wir durch den Tag gehen, desto deutlicher wird es.
Je weiter wir uns von der Zivilisation entfernen, desto erstaunter reagieren die Einheimischen auf uns.
In Papua beispielsweise vergeht kein Tag, an dem man nicht ein lautes „Hey Bule“ oder „Hey Mister/Miss“ (übrigens darf man sich nicht wundern, wenn man als Frau Mister genannt wird) hinterhergerufen bekommt.
„Bule“ ist ein Wort für alle Situation – in einem Restaurant, auf der Arbeit oder im nächsten Supermarkt. Indonesier verwenden es wie jedes andere Wort auch.

Wie sehen es die Indonesier?
Indonesier sind normalerweise sehr lockere und entspannte Menschen. Auch wenn sie sich nicht kennen, wird überall geplaudert – auf der Straße, beim Einkaufen oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Erst recht, wenn sie einen „Bule“ sehen!
Das Wort fließt locker in die Gespräche mit ein, ohne einen bestimmten Hintergedanken. Es ist einfach ein funktionales Wort, das einen Menschen mit hellerer Hautfarbe bezeichnet.
„Bule“ ist neutral, kann jedoch – je nach Zusammenhang – einen positiven oder negativen Beigeschmack haben kann. Wie jedes andere Wort auch.
Wie kann es sein, dass es dann doch oft für Diskussionen sorgt?
Was sagen die „Bules“?
Reisende, die nur einen kurzen Aufenthalt in Indonesien haben, werden das Ganze halb so schlimm sehen. Sie stecken das Wort wahrscheinlich mit einem Augenzwinkern und einem Lachen weg.
Anders kann es bei denen aussehen, die in Indonesien ihr zweites Zuhause gefunden haben und sich als Teil der Gesellschaft fühlen. Auch wenn es kein schlechtes Wort ist, führt es bei Auswanderern oft zu unterschiedlichen Meinungen.
Natürlich gibt es einige schwarze Schafe, doch die meisten versuchen, sich so gut wie möglich in die indonesische Gesellschaft zu integrieren. Viele sprechen die Sprache Bahasa Indonesia fließend, haben indonesische Freunde oder sogar Familien und fühlen sich mehr als nur „Hinzugezogene”. Sie passen sich an die indonesischen Gegebenheiten und Traditionen an und können sich nicht vorstellen, das Land jemals wieder zu verlassen.
Nach mehreren Jahren der Integration kann es schmerzhaft sein, immer noch als der Außenseiter betrachtet zu werden.
Viele Expats fühlen sich aus der Gemeinschaft ausgeschlossen und in so einer Situation unwohl. Ist man beispielsweise mit einer Gruppe von Indonesiern unterwegs, fällt man als „der Bule“ auf. Wird in der Nachbarschaft über einen gesprochen, dann ist man „der Bule von nebenan“.
In Städten, in denen viele Ausländer leben, sind Einheimische natürlich an ein bunteres Stadtbild gewöhnt. Spricht man jedoch von einem Ausländer, dann ist auch hier „der Bule“ gemeint.
„Einer der Bules“ zu sein, kann allerdings auch positives bedeuten. Hält man sich längere Zeit in einer abgelegen Gegend auf, kann der Anblick eines anderen Ausländers ein Gefühl von Zusammengehörigkeit schaffen. Gemeinsame Erfahrungen, unglaubliche Stories oder ganz banale Erlebnisse in einem anderen Land lassen uns zusammenrücken. Oft ist es dann doch der kulturelle Hintergrund, der uns ähnlich ticken lässt.
Und dann gibt es auch noch viele Ausländer, die das Wort selbst benutzen, wenn es um nicht-asiatische Menschen geht. Denn irgendwie macht es die Kommunikation dann doch einfacher.
Was ist denn nun richtig? Und warum sträuben sich viele dagegen, „der Bule” zu sein?

Rassismus und Schubladendenken
Die Antwort ist einfach: Niemandem gefällt es, in eine Schublade gesteckt zu werden.
Wer sich öfter und länger in Indonesien aufhält, versteht schnell, welche Eigenschaften mit dem Wort „Bule“ verbunden werden: eine Person, die nicht nur „weiß“ ist, sondern auch wohlhabend (denn immerhin kann sie sich ja ein Ticket nach Indonesien leisten), überheblich, selbstsicher und voller Sünden.
Ein „Bule“ genießt ein freizügiges Leben und muss sich keine Gedanken um morgen machen, denn Geld hat ein „Bule“ bekanntlich im Überfluss.
Nichtsdestotrotz schwingt auch oft ein Hauch Anerkennung mit, wenn Indonesier sich über „den Bule“ unterhalten. Immerhin genießen Menschen, die Geld besitzen (oder damit assoziiert werden) in Indonesien großen Respekt.
Die gleichen Vorurteile sind präsent, wenn es um gemischte (Liebes-)Beziehungen geht. Ein sicheres und stabiles Einkommen – das ist das, wofür „der Bule“ steht. Natürlich trifft das nicht auf alle Beziehung zu, doch es gibt viele Einheimische, die diesem Trend folgen.
Ob positiv oder negativ – Schubladendenken tut niemandem gut. Und doch – tun wir es nicht alle ein bisschen? Haben wir nicht manchmal genauso viele Vorurteile?
Für viele Ausländer ist es in den asiatischen Ländern die erste Erfahrung von Diskrimination. Damit umzugehen, muss erst gelernt werden. Einer Erfahrung wie dieser ausgesetzt zu sein, gibt einem die Möglichkeit, eigenes Verhalten zu hinterfragen und zu durchleuchten.
Für viele Menschen ist Rassismus Teil ihres täglichen Lebens. Eine erste Konfrontation damit kann also helfen, solche Situationen in Zukunft besser zu verstehen.

Gegenseitiger Respekt und interkulturelles Verständnis
Egal wie lange wir uns in einem asiatischen Land befinden oder wie gut wir die Sprache sprechen, wir werden immer „die weiße Person“ bleiben, die wir in den Augen der Einheimischen sind. Das müssen wir trotz perfekter Integration und Anpassung akzeptieren.
Das Wort „Bule“ wird uns in Indonesien immer wieder begegnen. Ob es positiv, negativ, rassistisch oder einfach neutral gemeint ist, hängt vom Kontext ab und kann nicht verallgemeinert werden.
Gegenseitiger Respekt ist das, was ein friedvolles Miteinander ausmacht. Respekt für die Gefühle des einen und die Kultur und Traditionen des anderen.
Egal wie unterschiedlich unsere Hautfarbe ist, was zählt, ist das, was sich darunter versteckt. Unsere Unterschiede machen uns erst zu den einzigartigen Menschen, die wir sind.
Und wäre die Welt nicht langweilig, wenn wir alle gleich wären?
Wie siehst du die Bezeichnung „Bule“? Wir freuen uns auf dein Kommentar!
Über die Autorin:

Gunda war mehrere Jahre als Tauchlehrerin in Südostasien unterwegs, bevor sie ihr Herz schließlich an Indonesien verlor. Hier fand sie nicht nur ihre neue Heimat, sondern auch ihre große Liebe. Nach der Leitung eines Tauchresorts in Raja Ampat, ist sie eher durch Zufall in Sorong „hängengeblieben“. Hier entstand die Idee zu ihrer Webseite sorong-westpapua.com. Gunda lebt mit ihrem Mann Hartono in Raja Ampat und die beiden möchten sich in naher Zukunft eine kleine Selbstversorger-Farm aufbauen.
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