Olivias Geschichte ist eine ganz besondere. Die junge Indonesierin träumte schon immer davon, die Welt jenseits ihres kleinen Dorfes im Norden Sumatras zu erkunden.
Sie wuchs jedoch in einer traditionellen Familie auf. Als Frau alleine reisen? Die eigenen Träume verwirklichen? Das war nicht Teil der Kultur, in der Olivia aufwuchs.
Ihr gelang es jedoch, kulturelle und finanzielle Hindernisse zu überwinden, und alleine in über 50 Länder auf 6 Kontinenten zu reisen.
Ich hatte die Chance die indonesische Buch-Autorin und Bloggerin Olivia Purba für ein Interview zu begeistern.

Wie entstand deine Liebe zum Reisen?
Soweit ich mich erinnern kann, wollte ich immer schon um die Welt reisen. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, International Relations zu studieren, um später als Diplomatin zu arbeiten.
Da meine Eltern nicht in der Lage waren, die teuren Studiengebühren von privaten Universitäten zu finanzieren, bewarb ich mich an der besten öffentlichen Universität Indonesiens, der University of Indonesia.
Ich musste während meines Abiturs Tag und Nacht büffeln, um in dem beliebten Studiengang aufgenommen zu werden. Aber letztendlich habe ich es geschafft, worauf ich sehr stolz bin!
Von da an hatte ich viele Möglichkeiten ins Ausland zu gehen, mithilfe von Stipendien Auslandssemester zu absolvieren, Praktika zu machen oder interkulturelle Workshops zu besuchen.
Nach meinem Uni-Abschluss arbeitete ich dann eine Weile lang für die indonesische Regierung, was mich jedoch zu der Erkenntnis brachte, dass ich kein Fabel für Bürokratie habe. So beendete ich letztendlich meinen einstigen Traum, Diplomatin zu werden, da dieser Beruf einfach nicht zu meiner kreativen Persönlichkeit passte.
Ich hatte jedoch immer noch ein starkes Verlangen, die Welt zu bereisen. Und daher begann ich nach anderen Wegen und Jobs zu suchen, die mir meinen Traum ermöglichen würden.

Scheinbar hast du andere Wege gefunden. Willst du uns deine Tricks verraten?
Erstmal muss man an dieser Stelle festhalten, dass es als Indonesier/in nicht so einfach ist, die Welt zu bereisen. Es werden einem viele Steine in den Weg gelegt, weswegen man ein wenig um die Ecke denken muss, wenn man seinen Reisetraum leben möchte.
Die erste Hürde entsteht bereits bei der Einreise in vielen Ländern. Es gibt 71 Länder auf der Welt, in denen man mit einem indonesischen Pass bei der Ankunft visumfrei einreisen kann.
Nur für einige wenige Länder wie Australien, USA oder die Schengen-Region (EU) muss man im Voraus einige Dinge nachweisen, um ein Visum zu erhalten.
Die Länder wollen, dass man als Indonesier/in einen Job (1), genügend Geld (2), eine Versicherung (3), einen Sponsor (4), einen Flug (5) und eine Unterkunft (6) vorweisen kann.
Trotz allem ist es nicht garantiert, dass man letztendlich ein Visum erhält, was natürlich auch ein finanzielles Risiko ist, wenn man schon die Flüge und die Unterkünfte für die erste Zeit gebucht hat.
Daneben gibt es noch ein paar weitere Hürden für Indonesier/innen, wie beispielsweise die Kaufkraft. Der Mindestlohn in Indonesien liegt bei 200 bis 300 USD pro Monat. Es fällt mir demnach nicht leicht, mit dem Geld, das ich in meinem Heimatland verdiene, in Ländern zu reisen, deren Währung stärker ist als die indonesische Rupiah.
Und dann wäre nach noch die eigene Kultur, die einem manchmal vor allem als indonesische Frau beim Traum vom Reisen im Weg stehen kann. Die Gesellschaft in meinem Land (einschließlich meiner eigenen Mutter) erwartet, dass ich als Frau früh heirate und Kinder bekomme, anstatt meinen persönlichen Träumen nachzugehen.
Aber trotz dieser ganzen Hürden, gibt es ein paar wundervolle Möglichkeiten, auch als Indonesier/in die Welt zu bereisen. Dabei liegt der Grundstein in der Bildung.
Ich konnte mir über die Jahre 8 verschiedene Stipendien für ein Auslandsstudium sichern. So konnte ich kostenlos im Ausland leben und reisen.
Dabei habe ich einen Austausch in Melbourne, Tokio und Montana (USA) machen dürfen und meinen Doppelmaster in Canberra (Australien) mithilfe eines Vollstipendien absolvieren können.
Zusätzlich habe ich an dem ein oder anderen kulturellen Austausch im Ausland teilgenommen, als Freiwillige verschiedene NGOs unterstützt, sowie Vorträge, Konferenzen und Seminare in fast 30 Ländern der Welt besucht, die größtenteils voll gesponsert wurden.
Vor und nach meinen Auslandsaufenthalten (die ich durch Stipendien finanzieren konnte), besuchte ich in der Regel noch andere Länder, die quasi auf dem Weg liegen. So habe ich es geschafft in nur wenigen Jahren 50 Länder zu besuchen.
Da ich meinen Abschluss mittlerweile in der Tasche habe, musste ich wieder neue Wege finden, um meine Liebe für das Abenteuer weiterhin leben zu können.
Heute bin ich Entwicklungsberaterin. Dabei unterstütze ich Projekte von Regierungen, NGOs und Privatkunden rund um Entwicklungsaktivitäten in ganz Indonesien.
https://www.instagram.com/p/B7cu0q4A00G/
Gibt es jemanden, der dich als indonesische Frau dazu motiviert hat, alleine die Welt zu erkunden?
Oh ja. Trinity von The Naked Traveler.
Ich habe meine gesamte Jugend damit verbracht, ihre Reisebücher zu lesen. Sie ist eine der Pionierinnen unter den Alleinreisenden Frauen aus Indonesien.
Mit ihrem humorvollen Schreibstil veröffentlichte sie 15 Mega-Bestseller-Bücher. Derzeit werden sogar einige ihrer Bücher verfilmt.
Sie hat mich dazu inspiriert, auch meine Geschichte nieder zu schreiben. Ich war überglücklich, als sie sich dazu bereit erklärt hat, mein Buch zu lesen, um mir eine Rezension zu schreiben. Das hat mich unglaublich stolz gemacht!
https://www.instagram.com/p/BxZ1P24nfx6/
Du hast ein Reisebuch geschrieben und mittlerweile auch deinen eigenen Reiseblog gestartet. Was sind die größten Herausforderungen als indonesische Reisebloggerin? Und wohin soll die Reise noch gehen?
Am Anfang habe ich meine Webseite Travelling Aja Dulu nur gestartet, um eine Landingpage für mein gleichnamiges Reisebuch zu haben.
Da ich derzeit jedoch für 6 Monate in Europa, Afrika und Lateinamerika unterwegs bin, hatte ich mir überlegt, einen Reiseblog zu starten, um meine Geschichten über das Buch hinaus mit meinen Lesern zu teilen.
Jetzt kommt jedoch das Problem.
Denn die größte Herausforderung für einen indonesischen Reiseblogger besteht darin, dass viele Indonesier meiner Meinung nach nicht so gern lesen.
Viele bevorzugen es, schöne Bilder auf Instagram zu sehen oder lange Youtube-Videos anzuschauen. Das merke ich vor allem daran, dass ich sehr häufig private Nachrichten auf meinen sozialen Kanälen bekomme, die ich eigentlich 1:1 auf meinen Blog beantwortet habe.
Außerdem bin ich, obwohl ich bereits seit zehn Jahren reise, erst vor einem Jahr mit meinem Reisebuch und meinem Reiseblog an die Öffentlichkeit gegangen. Ich denke, es wird einige Zeit dauern, bis sich meine Marke etabliert hat.
Was ich jedoch weiß, ist, dass das Reisen – vor allem unter indonesischen Jugendlichen – immer beliebter wird. Daher bin ich mir ziemlich sicher, dass es ein Publikum für dieses Thema gibt. Und die Konkurrenz ist tatsächlich noch relativ überschaubar im Vergleich zu englischsprachigen Blogs.
Obwohl ich nicht vorhabe, meine Karriere als Entwicklungsberaterin in naher Zukunft zu beenden, bin ich gespannt, ob ich auch mit meinem Blog meinen Lebensunterhalt verdienen kann. Es wäre wundervoll, von meinen Hobbys leben zu können, dem Schreiben und dem Reisen.

Wie kommt denn dein Buch in Indonesien an?
Mein erstes Buch ist Travelling Aja Dulu: Jalan Jalan Gratis ke 35 negara 5 Benua (Let’s Just Travel: Wie du kostenlos zu 35 Ländern auf 5 Kontinenten reisen kannst) wurde von dem größten indonesischen Verlag, Gramedia, veröffentlicht.
Der Grund, warum ich das Buch geschrieben habe, war, dass ich oft Fragen von anderen Indonesierinnen bekommen habe:
„Wie kann ich es mir leisten, zu reisen?“
„Wie überwinde ich die Herausforderungen, als Indonesierin zu reisen?“
„Was war meine bisher schönste Reise?“
Das Buch ist die Antwort auf die unendlich vielen Frage, die ich vor, während und nach meiner Reise erhalten habe. Denn derzeit ist es schon noch was besonderes, als Indonesierin so viel in der Welt unterwegs zu sein.
Das Buch soll indonesische Frauen zudem dazu motivieren, mutig zu sein und ihren Träumen nachzugehen, wie z.B. eine höhere Ausbildung zu erhalten oder eben die Welt zu erkunden.
Aufgrund der großen Nachfrage habe ich auch eine englische Version des Buches geschrieben.
Tatsächlich durfte ich nach meinem ersten Buchprojekt noch weitere Bücher für verschiedene Verlage schreiben.
Mein zweites Buch heißt Daily Routines to Be A Happy Person und wurde von einem großen Verlag mit Sitz in Jogja veröffentlicht, dem Diva Publisher.
In dem Buch schreibe ich zusammen mit einem Psychologen über 14 einfache Alltagsroutinen, um ein glückliches Leben mithilfe von Bewegung, Yoga, Ernährung, Mediation oder Haustieren zu führen.
Ich selber habe Erfahrungen mit Depressionen und Angstzuständen, was in Indonesien nicht allzu sehr öffentlich diskutiert wird. Als ich in Australien lebte, war es für mich viel einfacher, über meine psychischen Probleme mit anderen zu reden.
Als ich nach dem Abschluss meines Studiums zurück nach Indonesien ging, stellte ich fest, dass die meisten indonesischen Bücher, die unsere psychische Gesundheit thematisieren, importiert sind. Daher hatte ich das Ziel, als Indonesierin, ein Buch über dieses Thema zu schreiben.
Dabei stelle ich Alltagsgewohnheiten vor, die mir persönlich helfen, wieder in einen stabilen Geisteszustand zurückzukehren. Dinge, die mir in schwierigen Zeit helfen, können vielleicht auch anderen Menschen helfen. Das ist die Motivation hinter diesem Buch!

Du bist auch auf Instagram eine Inspiration für viele indonesische Frauen. Welchen Kanälen folgst du?
Zum einen folge ich natürlich meiner größten Inspiration Trinity.
Ich folge zudem auch den indonesischen Autoren Claudia Kaunang und Agustinus Wibowo.
Beide reisten schon, bevor Soziale Medien wie Youtube und Instagram durch die Decke gingen.

Du reist mittlerweile als Digitale Nomadin um die Welt. Ist der Trend also auch schon in Indonesien angekommen?
Wenn ich nicht gerade reise, lebe und arbeite ich auf Bali. Auf der Insel ist die digitale Nomadenszene auf alle Fälle allgegenwärtig.
In jedem anderen Teil Indonesiens (bis auf Jakarta und Yogyakarta vielleicht), ist der Trend noch nicht so wirklich angekommen. Aber ich bin mir sicher, dass sich das in der Zukunft ändern wird.
Digitale Jobs sind eine großartige Chance für den nicht gerade prickelnden indonesischen Arbeitsmarkt. Ich arbeite beispielsweise regelmäßig mit indonesischen Programmierern, Illustratoren und Copywritern über Freelancer-Plattformen zusammen. Die Auswahl ist riesig. Das zeigt einfach das Potential, was in der indonesischen Jugend steckt.
https://www.instagram.com/p/Btf0QqSgdq1/
Was waren deine Highlights auf deinen Reisen um die Welt?
Es gibt so viele Orte, die mir sehr gut gefallen haben.
Was mir besonders gut gefallen hat, war mein meine Reise von Bangkok (Thailand) nach Kuala Lumpur (Malaysia), wo ich mich für die ASEAN Foundation ehrenamtlich rund um das Thema ökologischen Landbau engagierte.
Danach ging es nach Darwin (Australien), um an einer Konferenz mit Indonesien und der australischen Jugend teilzunehmen.
Weiter ging es in nach Brunei Darussalam für ein Training bzw. einen Wettbewerb von der US Regierung.
Darüber hinaus habe ich es geschafft, in den Ferien nach Neuseeland, Penang (Malaysia), Bangkok und Chiang Mai (Thailand) zu reisen – und eine kurze Überfahrt nach Laos zum Goldenen Dreieck an der thailändischen Grenze zu unternehmen.
Das war alles einfach nur aufregend für mich!
Und da wäre noch dein Podcast „Living in Bali“. Was ist dein Ziel mit dem Podcast?
Als ich vor ungefähr 2,5 Jahren nach Bali zog, wurde mir klar, dass es so viele interessante Menschen auf Bali gibt, die spannende Geschichten zu erzählen haben.
Ich interessiere mich besonders für die Geschichten von Menschen, die die Gesellschaft verändern wollen. Und was ist das beste Format, um Geschichten zu erzählen? Ein Podcast!
Also verbünde ich mich mit meiner guten Freundin Sarah, um unsere Projekt Living in Bali ins Leben zu rufen.
Bis jetzt haben wir hauptsächlich interessante Persönlichkeiten interviewt, die auf Bali ein soziales oder nachhaltiges Unternehmen führen. Dabei fragen wir sie nach den Hürden in ihrem Leben und ihrer Arbeit auf Bali.
Mein persönlicher Favorit ist unser Interview mit Rodney Westerlaken, der eine Stiftung auf Bali gegründet hat, um Kindern aus Waisenhäusern das Surfen näher zu bringen.

Was möchtest du uns noch mit auf den Weg geben?
Es wäre schön, wenn jeder Reisende freundlich zu Indonesiern ist, die im Gastgewerbe tätig sind, beispielsweise in Cafés, Restaurants und Hotels.
Viele dieser Menschen erhalten einen Mindestlohn von 200 bis 300 USD pro Monat.
Diese Menschen geben ihr bestes und sind unglaublich gastfreundlich, was ein wichtiger Bestandteil der indonesischen Kultur ist. Hin und wieder ein wenig mehr Trinkgeld wird weder dir noch deinem Karma schaden!

Danke für das tolle Interview! Hast du noch Fragen an Olivia, dann her damit in den Kommentaren!
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