Wo Vulkane christliche Namen tragen, „Gold“ an Bäumen wächst, seltene Tierarten beheimatet sind und Zaubertranks gemischt werden – die Insel Siau in Nord Sulawesi.
Es ist wieder Vollmondnacht. Frauen kochen still schweigend Süßkartoffeln, während ihre Männer rauchend vor den Hütten sitzen. Die Blicke auf ihn gerichtet – den Aditinggi. Die Zeit ist wieder gekommen. Der Gandaputung* (Opferpriester) bricht zum Aditinngi-Gipfel* auf. Ein monatlich wiederholendes, schweißtreibendes Unternehmen. Wie immer in Begleitung eines jungen Mädchens. Nach geschlagenen 12 Stunden ist er im Ort zurück. Alleine. Die Tatetade (das Opferritual) ist vollbracht.
Portugiesische Missionare des katholischen Jesuitenordens errichtet 1584 einen Posten im dem ehemaligen Königreich Siau und beendeten dieses grauenhafte Opferritual. Sie tauften den Aditinngi-Gipfel Johannes und den Tamata-Gipfel Johanna.
Im 19. Jahrhundert brachte der holländische Pastor Paul Kelling den Protestantismus. Heute findet man lediglich eine Moschee und eine kleine Gemeinde Moslems auf der Vulkaninsel.
*Aditinngi = ursprüngliche Name des Karangetang Vulkans
Der Karangetang Vulkan auf Siau
Im Norden von Siau ragt der Karangetang, auch Api Siau (= das Feuer von Siau) genannt, mit seinen zwei Gipfeln (Südgipfel 1.827 m, Nordgipfel 1.784 m) in den Himmel.
Nachts leuchtet er rot.
Dieser andesitische Stratovulkan ist Teil eines Inselbogens mit recht komplexer Tektonik: bei Nord Sulawesi treffen untermeerische Mikroplatten aufeinander die Reibungen zwischen den Pazifischen, Indo-Australischen- und Eurasischen Platten erzeugen.
Er besitzt fünf Krater mit Lavadoms und freien Förderschloten. Pyroklastische Ströme sind besonders gefährlich, die meist durch einen Domkollaps erzeugt werden. Schlamm- und Schuttströme (Lahare) entstehen in der regenreichen Zeit des Jahres.
Dieser Feuerberg gehört zu den aktivsten im Archipel und es wurden seit 1675 mehr als vierzig Ausbrüche, mit Teil verehrenden Folgen für die Inselbewohner, festgehalten. 17 Menschen mussten bereits ihr Leben lassen und immer wieder wurden Dörfer von der zähfließenden Lava zerstört.
Eine Besteigung des Api Siaus erfolgt über einen Steilhang, der aus einem erkalteten pyroklastischem Strom besteht. Alpinisten und erfahrenen, trittsicheren Treckern vorbehalten und nur in Begleitung eines ortskundigen Guides zu empfehlen. 14 Stunden mit Auf- und Abstieg, Pausen und Verweilen im Gipfelbereich muss man einplanen.
Berg- und Talfahrt auf Siau
Das Straßennetz der Insel ist übersichtlich. Eine Küstenstraße erstreckt sich um den südlichen und mittleren Teil. Ein paar wenige Verbindungswege führen steil zu Bergdörfern hinauf und ebenso steil und kurvenreich auf der anderes Seite hinunter. Man fühlt sich wie in einer Achterbahn wenn man in den oft überfüllten öffentlichen Fahrzeugen mitfährt.
Im Norden der Insel kommt man nur mit Mopeds auf unbefestigten Pisten weiter. Ein Taxibootverkehr ist deshalb von den größeren Orten nach Ulu und Ondong eingerichtet worden.
Auf der gesamten Insel gibt es keine Tankstelle. Einmal pro Monat kommt das Tankschiff aus Manado. Jedem Auto- und Motorbootbesitzer stehen eine zugewiesene Menge Benzin (um die 75 Liter) zum Kauf zur Verfügung. Benötigt man darüber hinaus weiteren Kraftstoff, muss man auf die teuren Privathändler, die ihn in ausgedienten Coca Cola-Literflaschen vor ihren Häusern veräußern, zurückgreifen.
Und stetig grüßt die Muskatnuss auf Siau
Ob an Ortsschildern, im Logo einer ansässigen Bank, als handgefertigter Schlüsselanhänger oder als überdimensional großes Denkmal – man begegnet der Muskatnuss (Myristica fragrans) auf Schritt und Tritt.
Sie brachte Wohlstand und Reichtum und wird auch als das „Gold das an Bäumen wächst“ bezeichnet.
Ein Pfund der besten Qualität kostet auf dem Markt knapp 2 Euro. Noch teurer als die Nuss wird die Muskatblüte, auch Macis genannt, gehandelt. Getrocknet und fein geschnitten findet man sie z.B. in den Weißwürsten des Metzgers seines Vertrauens wieder.
Eine Spezialität aus Siau ist der Anggur Pala (Muskatnuss-Wein), der in kleinen Manufakturen, meist in privaten Haushaltsküchen, fermentiert wird.
„Muskat in Wein und du bist mein!“
Das berauschende Gewürz erfreute sich rasch großer Beliebtheit, als die Nuss im 16 Jahrhundert erstmals nach Europa kam. Als Aphrodisiaka: Muskatblüten in Wein oder Milch eingelegt, regten ihre ätherischen Öle die Schleimhäute zur Bildung des Glückshormons Serotonin an.
Frisch geriebene Muskatnüsse verleihen Gerichten wie hellen Soßen, Cremesuppen, Kartoffelbrei, Kohlgemüse, Hackbraten wie Lebkuchen den letzten Schliff.
Traditionelles Handwerk heute noch gefragt auf Siau
Mit seinen 85 Lenzen fertigt Opa Lefran Tamubala in Handarbeit mit Fuchsschwanz, Hobel und Stechbeitel kleine traditionelle Auslegerboote an.
Die Fischer liefern das Bauholz. Lefran baut dann innerhalb von zwei Wochen das Boot ohne jegliche Skizze. Auf die Frage hin, wie viele Auslegerboote er bereits gefertigt hat, bekam ich zur Antwort: „Vor Jahren habe ich aufgehört zu zählen“.
An jedem Boot verdient der alte, noch rüstige Mann gerade mal 34 Euro. „Ein angemessener Preis“ sagt er mit einem zufriedenem Lächeln auf den Lippen.
Auf einen Streich: Zwei auf Siau endemische Tierarten!
Vom „Aussterben bedroht“ ist die gerade 17 cm große Siau-Zwergohreule (Otus siaoensis). Sie ist schon lange nicht mehr gesichtet worden. Womöglich schon ausgestorben? Was ich natürlich in keinster Weise hoffe. Vielleicht verstecken sich die letzten Exemplare im 50 ha großen und schwer zugänglichen Waldgebiet auf der Insel.
Der ebenfalls vom Aussterben bedrohte Siau-Koboldmaki (Tarsius tumpara) hingegen kann noch an einigen Stellen beobachtet werden (hinter der vulkanologischen Überwachungsstation bei Salili, rund um den Kapeta See und beim Kalea Beach Resort in Balirangen). Er ist einer von neun Arten, die auf Sulawesi und den vorgelagerten Inseln vorkommen. Erstmals wurde er im Jahr 2008 beschrieben. Diese Art jedoch kommt ausschließlich auf Siau vor. Die in Familiengruppen lebenden, nachtaktiven Primaten unterscheiden sich von ihren Verwandten auf dem Festland. Zum Schlafen trennt sich der Familienverband und sie wählen auch höhere Stellen in Bäumen zum Nächtigen.
Mahoro – paradiesische Insel mit weißem Sandstrand
Südöstlich von Siau liegen sechs Inseln mit herrlich weißen Sandstränden, blauem Wasser und artenreichen Korallenriffen.
Besonders schön ist ein Ausflug zur unbewohnten Insel Mahoro. Man muss sie einfach selbst erleben – mit Worten schwer zu beschreiben.
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Ausflug auf die Insel Makalehi
Wie die Spitze eines Eisberges ragen gerade einmal 200 Meter des mächtigen Vulkans Makalehi aus dem Ozean. Sein letzter Ausbruch reicht bis ins Pleistozän zurück. Dieses 420 ha große Eiland ist von Siau aus mit der Fähre KMP Lohorang oder mit Fischerbooten in 1 ½ Stunden zu erreichen.
Rund um die Insel befinden sich drei Tauchspots: Merang, Batu Sangelohe, Needle Point und Sawang. Doch bekannt ist sie eher wegen ihres herzförmigen Kratersees, den die 1.300 Bewohner der drei Dörfer Danau Cinta (= Liebessee) nennen.
In einer Felsengrotte oberhalb des Hafens trifft man auf menschliche Totenschädel und Gebeine, die in einem schon stark verwitterten Holzboot aufgereiht liegen. Woher und von wem sie stammen, ist bis heute unklar. Sie waren schon vor der Besiedlung in der Grotte. Keramiktassen und Aschenbecher stellten die Insulaner zu den sieben Schädeln dazu. Die Anordnung der Knochen und Köpfe darf in keinem Fall verändert werden. Das bringt Unglück.
Besucht man diese Stätte, gehört es sich, Zigaretten anzuzünden und diese zwischen die Zähne der Unbekannten zu stecken. Genüsslich qualmen sie die Glimmstengel weg. Man kann ihnen dabei regelrecht zusehen.
Ursprünglich waren es insgesamt acht Köpfe, doch letzterer ist einmal zu sehen und dann mal wieder nicht – ein Mysterium, so erzählt man mir es.
Geheimtipp für Taucher und Schnorchler rund um Siau
Die Unterwasserwelt ist hier noch weitestgehend unberührt. Mit einer Sichttiefe bis zu 40 Metern schon fast schwindelerregend. Der Tauchtourismus steckt quasi in den Kinderschuhen. Ab und an treten Strömungen auf, welche man jedoch mit etwas Erfahrung gut meistern kann.
Divespots wie Hulu Town & Anchorage, Carols Village Dive, Frogfish Dive, Batu Jendela, Batu Lehi, Eddy Point, Mula Kampung, Paul’s Reef … und der Unterwasservulkan Mahengetang laden zum Erforschen und Entdecken ein.
Der Trunk des Samuels
Als im 2. Weltkrieg die Japaner u.a. auch Siau besetzten, ließen sich die tapferen Krieger der Insel von einem Schamanen unverwundbar machen. Man erzählt sich heute, dass weder Messer noch Kugeln sie töten konnten. Die Japaner ließen deshalb eine tiefe Grube ausschachten, in der die „Aufsässigen“ lebendig begraben wurden.
Samuel Dedy aus dem Fischerdorf Tenaki stützt sich an seinem Holzstab ab. Er ist im März 86 Jahre alt geworden. An seinen Fingern glitzern mit bunten Steinen besetzte Ringe. Vor ihm auf dem Tisch liegt ein Stoffbeutel mit besonderem Inhalt. Von weit her bekommt Samuel Besuch. Meist sind es junge Männer aus Papua, den Molukken oder dem Festland von Nord Sulawesi, die eine Laufbahn als Polizist oder Soldat einschlagen wollen. Samuel ist einer der letzten, die es verstehen, jemanden unverwundbar zu machen.
Zuerst „mischt“ er einen Trunk bestehend aus Cap Tikus (hochprozentiger Brand aus dem Minahasa Hochland), drei kleinen aber schweren Steinen, die er von einer Quelle hat und drei scharfen Patronen aus der Zeit der Holländer.
In einem Zug muss der Behandelnde, nach Gebeten zu höheren Mächten, den „Cocktail“ leeren. Danach wird er vor Samuels Haus mit geweihten Wasser und weiteren Gebeten vom Meister höchstpersönlich geduscht. Dieses Ritual zieht sich über drei Tage hinweg. Während dieser Zeit darf der Behandelnde sich ausschließlich mit klarem Wasser waschen und keine Seife und Parfums verwenden. Seine letzte „Behandlung“ liegt gerade vier Tage zurück.
Samuel erwartet keine Bezahlung doch freut er sich über ein kleines Taschengeld. Jeder soll das geben, was er kann, sagt er und schaut mich mit seinen klaren Augen an. Soll ich dich auch behandeln, fragt er mich erwartungsvoll?
Vor 25 Jahren hat er damit begonnen, doch mag er die Bezeichnung Schamane nicht. Als Vater von Töchtern wird es ihm schwer Fallen sein Wissen und seine Fähigkeit innerhalb der nächsten Familienangehörigen weiterzugeben, denn es ist nur Stammhaltern vorbehalten. Aber es gibt ja auch Enkel in der Familie sagt er mir im Gespräch. Doch momentan fühlt er sich noch zu jung. Erst wenn seine Tage gezählt sind, übergibt er seinen Beutel an einen würdigen und fähigen Nachfahren, den er in das wohlbehütete Geheimnis einführen wird.
Ab nach Siau
Wer nun nach der Lektüre einen Aufenthalt näher in Betracht zieht, dem möchte ich hilfreiche und wissenswerte Infos und Links zur Reisevorbereitung nicht vorenthalten:
Anreise nach Siau
Für die Sparfüchse unter euch mit der KMP Lohoraung jeden Montag und Donnerstag um 17:00 Uhr ab Likupang: IDR 55.000 pro Person. Dauer 6 bis 8 Stunden. Zurück von Siau mittwochs um 11:00 Uhr und sonntags um 13:00 Uhr.
Für die eiligen mit der Schnellfähre Express Bahari und/oder Majestic Kawanua täglich ab Manado Fährhafen um 09:30 Uhr für IDR 200.000 pro Person inkl. Lunchbox. Dauer ca. 4 Stunden. Zurück um 12:00 Uhr.
Ein Flughafen mit Landebahn für Propellerflugzeuge befindet sich gerade im Bau.
Übernachten in Siau
1) Little House
Das Gästehaus liegt in Ulu. 5 min zu Fuß vom Fährhafen entfernt und im April 2016 eröffnet. Zimmer ab IDR 150.000 bis 300.000 inkl. Kaffee/Tee und ein Stück Kuchen zum Frühstück. Schöne Dachterrasse! Telefon: 0813-40827760.
2) Kalea Beach Resort
Das Resort liegt in Balirangen im Südosten der Insel. Das Strandresort bietet einen kostenlosen Transfer an. Die Besitzerin Ayu spricht perfektes Englisch und kann dir bei fast allem weiterhelfen. Einfache Holzbungalows mit guten Matratzen, Moskitonetz, großes Badezimmer mit westlicher Toilette und Mandi. Terrasse mit Meerblick. Siau-Koboldmakies auf dem Resortgelände!
Bungalow mit Vollpension bei 2er-Belegung IDR 250.000 pro Person und Tag. Organisation von Vulkanbesteigungen, Inselrundfahrten, Moped-Vermietung, Inselausflüge, Makalehi Vulkan, etc. Infos auf booking.com.
Sonstige hilfreiche Infos für Siau
Essen und Supermarkt in Ulu, Siau
Es gibt mehrere kleinere Restaurants entlang der Jalan Tarorane mit chinesischer, indonesischer und Minahasa-Küche. Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis im RM Trinity. Gerichte ab 1 Euro!
Gut sortiert ist der Little Mart neben dem Little House: Kaltes Bintang Bier für IDR 35.000/Flasche.
Bankomaten (ATMs) in Ulu, Siau
Bargeld kann mit Mastercard, VISA und EC-Karte an den ATMs der Banken BNI, BRI und Mandiri in Ulu gezogen werden. Mehr zum Thema Finanzen in Indonesien.
Guide für Siau
Vermittlung über das Kalea Beach Resort. Die Besitzerin Ayu spricht perfektes Englisch und kann dir bei fast allem weiterhelfen.
Tauchen auf Siau
Vor Ort bei Harris Kakunsi (www.limangudiving.com) im Kalea Beach Resort oder mit dem Safarischiff Sunshine von Anke Andree die Inselwelt Sitaros entdecken.
Ein paar Erfahrungen zum Tauchen auf Siau kannst du in den Kommentaren nachlesen!
Events auf Siau
Exotic Sitaro II vom 18. – 23. Mai 2016
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Text & Fotos (außer speziell markierte Fotos): Michael Leitzinger
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