Ich habe viele Freunde, die einen asiatischen Elternteil haben. Dies liegt vor allem an meinem ehemaligen Studiengang Kulturmanagement mit dem Fokus Südostasien. Dort durfte ich viele Menschen kennenlernen, die durch das Studium mehr über ihre Wurzeln erfahren wollten.
Oftmals saßen wir abends bei einem Wein zusammen und früher oder später sprachen wir über Identitätskrisen, Rassismus und dem Gefühl, nirgendwo wirklich dazuzugehören.
Ich bin Deutsche mit deutschen Vorfahren. Ich weiß nicht, wie es ist, sich in seinem eigenen Land fremd zu fühlen. Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, wenn man in dem Land, indem man aufgewachsen ist, ständig gefragt wird, woher man eigentlich kommt.
Da mir dieses Thema in meinem Freundeskreis immer wieder begegnet ist, und auch viele Leser:innen von Indojunkie selber „mixed“ sind oder Kinder mit „dual heritage“ haben, wollte ich das Thema unbedingt in einem Interview festhalten.
Deswegen habe ich Lara Dewi gefragt, ob sie ihre Geschichte mit uns teilen möchte. Laras Mutter ist Deutsche mit deutschen Vorfahren und ihr Vater ist Indonesier chinesischer Minderheit. Sie ist in Deutschland geboren und aufgewachsen.
Ihre Kindheit war aufgrund ihres asiatischen Aussehen nicht immer leicht. Sie erfuhr Rassismus und lehnte lange Zeit ihre indonesischen Wurzeln ab. Dafür ist sie heute umso dankbarer für ihre Geschichte. Aber lies selbst!
Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde mein Herz in zwei verschiedene Richtungen ziehen.
Lara Dewi

Inwieweit hast du dich als Kind mit deinen deutschen und indonesischen Wurzeln identifizieren können?
Ich wollte als Kind immer dazugehören und habe alles, was mit Indonesien zu tun hatte, abgelehnt.
Ich wollte kein Indonesisch lernen und mochte typisch deutsches Essen wie beispielsweise Schnitzel oder Spätzle am liebsten.
Somit hat es mich auch besonders verwirrt und verletzt, wenn mir andere Kinder „Chinese“ im Schulbus hinterhergerufen haben.
Als ich älter und pubertär wurde, begann ich mich für meine Augen zu schämen. Ich erinnere mich sogar an eine Zeit, in der ich im Sommer lieber im Schatten saß, um nicht so schnell braun zu werden.
Die Identitätskrise „Wo gehöre ich hin?“ kenne ich nach wie vor. Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde mein Herz in zwei verschiedene Richtungen ziehen.
Inzwischen schätze ich es jedoch, beide Teile in mir zu tragen und zu leben. Nicht wählen zu müssen oder zu wollen. Das war als Kind leider nicht immer der Fall.
Ich wollte als Kind immer dazugehören und habe alles, was mit Indonesien zu tun hatte, abgelehnt.
Lara Dewi

Wie stehst du zu der Frage: Woher kommst du eigentlich?
Mit der wiederkehrenden Frage, woher ich EIGENTLICH komme, sah ich mich erst später konfrontiert, als ich die Schule verließ, auf Reisen war und zu studieren begann.
Andauernd neue Leute kennenzulernen, hieß auch immer wieder aufs Neue meine Herkunft erklären zu müssen.
Irgendwann wurde meine Toleranzgrenze immer geringer und ich wurde sehr oft wütend, wenn mir zum 1.000 Mal die Frage „Nein, woher kommst du WIRKLICH – also deine Eltern?“ gestellt wurde.
Mittlerweile ärgert mich die Frage zwar immer noch, aber ich kann darin mehr Frieden finden, da ich mich viel verbundener zu Indonesien fühle als noch zu Beginn meines Studiums.

Und wie fühlst du dich in Indonesien?
In Indonesien kann ich gut in der Masse verschwinden. Sobald ich aber zu sprechen beginne, hören die Menschen, dass mein Bahasa nicht fließend ist und sprechen mich sofort darauf an („eh, darimana mbak?“)
Wenn ich sage, dass ich aus Deutschland komme, wird das selten akzeptiert und ich muss mir oft Dinge anhören wie „But your face like China…“.
Wenn ich ihnen sage, dass mein Vater aus Bandung kommt, freuen sich aber alle total und finden es äußerst spannend!
Wenn ich nach Indonesien reise, läuft es meistens folgendermaßen ab: Kurz nach meiner Ankunft freue ich mich unglaublich. Ich genieße die Atmosphäre, die Landschaft und das Essen, fühle mich aber noch wie eine Touristin.
Nach ca. ein bis zwei Wochen bekomme ich den totalen Kollaps und ärgere mich über „jam karet“ (das Zeitgefühl vieler Indonesier:innen), das viele Plastik und den Verkehr.
Wenn ich diesen Punkt überstanden habe, entspannt es sich in mir und ich lebe den indonesischen Anteil in mir stärker aus. Ich schlüpfe dann in eine andere Rolle und meine Gestik und Mimik verändert sich.
In Indonesien kann ich gut in der Masse verschwinden.
Lara Dewi

Hast du Erfahrungen mit Rassismus in der eigenen Familie gemacht?
Dadurch, dass meine Familie mütterlicherseits alles andere als erfreut war, dass meine Mutter einen Indonesier heiratete, war Rassismus in meiner Familie leider immer ein großes Thema.
Meine deutsche Oma hatte besonders stark damit zu kämpfen. Obwohl sie mich über alles liebte, war es für sie manchmal schwer anzunehmen, dass ich aussehe, wie ich aussehe.
Für mich war dabei ein Mix zwischen Grenzen aufzeigen und Mitgefühl heilsam. Klare Grenzen setzen, wenn sie beispielsweise bemängelte, dass ich auf einem Foto „zu asiatisch“ aussehe und im gleichen Moment verständnisvoll für sie und ihre Geschichte sein.
Ich glaube dieses Thema ist sehr aktuell, da es immer mehr interkulturelle Partnerschaften gibt und je nachdem wie die Familien so drauf sind, kann das eine echte Herausforderung sein.
Obwohl sie mich über alles liebte, war es für sie manchmal schwer anzunehmen, dass ich aussehe, wie ich aussehe.
Lara Dewi
Bist du Männern begegnet, die den asiatische Frauentyp bevorzugen und deswegen auf dich zugekommen sind?
Ja. Als Teenager war das jedoch eine positive Erfahrung für mich. Dadurch, dass ich immer anders aussehen wollte – am liebsten blond und blauäugig – war es für mich überraschend und schön, für genau das, was ich immer ablehnte, Anerkennung zu bekommen.
Als ich älter wurde, begann es mich zu nerven.
Wahrscheinlich steckt dahinter der Wunsch, schön gefunden werden zu wollen, für wer ich bin und nicht für das Schema, in das ich passe.
Wahrscheinlich steckt dahinter der Wunsch, schön gefunden werden zu wollen, für wer ich bin und nicht für das Schema, in das ich passe.
Lara Dewi
Glaubst du, dass es früher „schwerer“ war, als Kind mit asiatischen Wurzeln aufzuwachsen?
Definitiv. Je mehr Menschen mit Eltern verschiedener Herkunft existieren, desto normaler wird es.
Ich wünsche mir, dass wir irgendwann an einem Punkt ankommen, an dem wir die Hautfarbe oder Herkunft nicht mehr als erstes Merkmal nennen, wenn wir eine Person beschreiben.
Ich kann mir vorstellen, dass auch der Umgang in der Stadt leichter ist, da dort generell mehr Anonymität herrscht als auf dem Land. Das kann ich allerdings nur spekulieren…

Welches Verhalten hättest du dir in der Vergangenheit von deinem Gegenüber häufiger gewünscht?
Bei manchen Begegnungen mit fremden Menschen hätte ich mir mehr Sensibilität gewünscht. Wenn ich beispielsweise gefragt werde, woher ich so gut Deutsch sprechen kann, empfinde ich das als eine Beleidigung.
Für mich impliziert die Frage immer, dass ich Deutschland nicht als meine Heimat erklären darf, egal wie perfekt mein Deutsch ist, egal was mein Pass sagt und egal wo ich geboren und aufgewachsen bin.
Ich wünsche mir auch von mir, meinem Gegenüber meine Grenzen deutlicher aufzuzeigen und auszudrücken, was solche Fragen bei mir auslösen. Bei fremden Personen fällt mir das oft noch schwer.
Wenn du dich selbst in diesem Dilemma wiederfindest, große Neugier hast, was den Stammbaum deines „exotischen“ Gegenübers anbelangt, aber auch nicht in ein Fettnäpfchen treten möchtest, könntest du dich zunächst fragen, welches Bedürfnis du dir mit der Antwort auf die Herkunftsfrage erhoffst, zu befriedigen.
Ich stelle mir vor, dass sich darunter oftmals der Wunsch verbirgt, eine Unsicherheit zu minimieren, in Schubladen zu stecken, Klischees zu bestätigen oder Gemeinsamkeiten zu finden („Ich war auch schon mal in Thailand!“). Das ist auch total menschlich. Jedoch könntest du auch innerlich abwägen, ob deine Bedürfnisbefriedigung so wichtig ist, dass du bei deinem Gegenüber Salz in die Wunde streust.
Wichtig ist mir hier noch zu erwähnen, die Antwort deines Gegenübers zu respektieren, die man auf die Herkunftsfrage bekommt. Das weitere Nachbohren nach den Eltern oder Großeltern empfinde ich als äußerst unpassend. Denn meiner Meinung nach kann sich jede Person so vorstellen, wie sie möchte. Bei einer „weißen“ Person würde man die Antwort auch nicht anzweifeln, obwohl man nicht den gesamten Stammbaum kennt.
Für mich fühlt es sich dann so an, als würde man mir meine Identität absprechen wollen. Das war in der Vergangenheit oftmals sehr verletzend für mich.
Des Weiteren finde ich es wichtig, den Kontext zu beachten. Wenn man bereits länger im Gespräch ist, sich schon etwas besser kennt und viel übereinander erfahren hat, fühlt sich die Frage nach der Herkunft meiner Vorfahren nicht mehr ganz so unangebracht an.

Heute hat man das Gefühl, dass du stolz auf deine indonesischen Wurzeln bist. Stimmt das?
Ich finde den Begriff „stolz“ in Bezug auf die Herkunft etwas irreführend. Ich bin nicht stolz darauf, wo ich geboren wurde oder wo meine Eltern geboren wurden – dazu habe ich nämlich nichts beigetragen.
Ich würde eher sagen, ich bin stolz darauf, einen schönen Weg gefunden zu haben, wie ich beide Anteile in mir leben und zum Ausdruck bringen kann.
Mein „dual heritage“ zu leben, bedeutet für mich zum einen, mir zuzugestehen mindestens ein paar Monate im Jahr in Indonesien zu verbringen und zum anderen etwas zu kreieren, das beide Anteile in mir verbindet.
Mit meinem Label „DEWI“ für Accessoires aus traditionellen indonesischen Stoffen kreativ zu sein, repräsentiert die Verbindung der beiden Welten für mich. Mit dem Gutscheincode indojunkiedewi10 gibt es übrigens 10% auf all meine Produkte!
Mittlerweile bin ich dankbar dafür, mixed zu sein und sehe es als ein großes Geschenk ☺

Danke für das Interview liebe Lara. Wenn du deine Gedanken zu diesem Thema beitragen möchtest oder noch Fragen an Lara Dewi hast, nutze die Kommentarfunktion unterhalb des Artikels.
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